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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Johannes,
mensa
,
mensae
… jede Stunde kostet deinen Vater Geld, |105| denke immer daran,
mensae
,
mensam
, aber was ist das mit dir? O
mensa
! Na, nichts, – Christiane?
    Wir haben erst einmal Bekanntschaft geschlossen, Herr Marder.
    Schön, schön, aber dieser Junge muß richtig lernen. Er kostet seinen Vater immerzu Geld. Und sein Vater hat nicht viel, Christiane.
    Ich muß auch richtig lernen, Herr Marder, sagte Christiane ernsthaft, und ich koste meinen Vater auch jede Stunde Geld. Sieh her, Hannes, hier auf der ersten Seite, das ist eine lateinische Satzlehre, Syntax heißt Satzlehre. Du hast mich vorhin gefragt. Und
mensa
heißt auf lateinisch der Tisch …
    Na schön, na schön, sagte der Superintendent, macht denn so fort. Ich muß nur mal … Er rannte hinaus, in die Scheune, wo sie mit dem Flegel Roggen droschen, damit Langstroh zu Ernteseilen da wäre. Es hatte ihm so geklungen, als wenn der Takt stolperte, nicht munter vorwärts ging. So lief er eilig und ärgerlich (er war immer eilig und ärgerlich), er hatte gar keine Zeit mehr dafür, richtig auf den Dreschtakt zu achten, sondern er nahm dem nächsten Mann gleich den Flegel weg.
    Aber Kinnings, rief er zu den großen Tagelöhnern, zwischen denen er wie eine kleine rötliche Ratte stand, heißt das dreschen? So muß das gehen! Und er schlug los, wobei er den Takt wie eine liturgische Antwort mit einem alten Bauernvers vorsang: Der Walter im Malter, da drischt er das Korn. Ich komm nicht dahinter, so machst du’s von vorn.
    Hoppla, Herr Superdent, sagte der alte Behn und traf den Flegel des Geistlichen hart, diesmal haben Sie aber nachgeklappt.
    Na also, Kinnings, macht weiter, Schmidt, so muß man dreschen. Ich muß nur mal …
    Und er rannte wieder in das Wohnhaus, denn es war ihm eingefallen, daß er sich ein Brautpaar auf neun Uhr zu einer pastoralen Vermahnung bestellt hatte, weil die Braut schon zum zweitenmal schwanger ging und die beiden noch nicht die geringsten Anstalten zum Aufgebot gemacht hatten.
    |106| Aber er kam zu spät, denn die beiden waren schon in die Studierstube zu seinen Schülern hineingegangen, und als er da an der Tür stehenblieb und auf das eifrige Reden drinnen lauschte, merkte er, daß auch seine Vermahnung schon überflüssig geworden war, denn er hörte den Johannes Gäntschow, diesen elfjährigen Bengel, wütend sagen: Das weiß doch jeder, und das hast du selber im Kruge erzählt, Adi, daß du die Lisbeth nur an der Nase rumführst, und du hast sogar mit Bohrmanns Erwin gewettet, daß du ihr sechs Kinder andrehen willst und sie doch nicht heiratest.
    Du, du, machte der Windmüllersohn Adi wütend, du mit deinem Bruder Alwert …
    Tut! Tut! Grade mit meinem Bruder, sagte er wütend, aber was du für Schweinereien machst –!
    Geht runter, Kinder, sagte der Superintendent milde. Es ist Frühstückszeit. Ja, jetzt, sofort. Ich bin sehr böse mit dir, Hans Gäntschow. Denkst du gar nicht an die Freiin Christiane? Geht jetzt …
    Vielleicht hatte Christiane den mageren, geflickten Johannes Gäntschow mit seinen viel zu kurzen Ärmeln, recht flüchtig gewaschen und gar nicht gekämmt, bisher für einen rechten dummen Bauerntöffel gehalten. Aber wie sie nun durch den Pfarrgarten gingen und von den wilden Wasservögeln redeten, die man jetzt im Winter vom Meeresufer her im Schloß Tag und Nacht schreien hörte, war ihr Ton ganz anders. Es war ihr nicht recht klargeworden, was für Schlechtigkeiten der dem Müllersohn eigentlich vorwarf, aber der Ton seiner Empörung war so überzeugend gewesen, daß das alles nicht mit irgendwelchen Schimpfen, wie’s der Inspektor daheim auf dem Hof machte, oder mit Zänkerei zu verwechseln war. Wie der große, fünfundzwanzigjährige Flaps rot und verlegen stammelnd vor dem Jungen gestanden hatte, das war gut gewesen – ein Blick in eine andere Welt war’s gewesen, eine neue Saite war in ihr erklungen. Und sie beschloß, den Vater nicht, wie sie noch vor einer Woche vorgehabt hatte, zu bitten, die nutzlosen Stunden bei dem eilfertigen Marder aufzugeben, |107| sondern erst einmal dazubleiben und sich diesen Jungen, wie sie keinen bisher auf der Welt getroffen, näher anzusehen.
    Eigentlich ist er wohl nichts für uns, sagte der Vater nachdenklich auf ihre Erzählung, und ich glaube auch nicht, daß er zu uns kommen wird. Er ist doch der Erbfeind!
    Wieso ist er denn der Erbfeind? fragte sie erstaunt. Was ist denn ein Erbfeind? Ich denke, die Franzosen sind das.
    Und genauso ist es mit

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