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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Bullen kommen können.
    Weil … fing der Vater an und brach ab. Nun war sein Gesicht doch sehr rot geworden. Ach, Schiet, sagte er. Bist du hier der Bauer oder ich?
    Du, sagte der Junge und kniff wieder spöttisch die Augen ein. Es lag eine ganze Menge in diesem Du, und der Vater verstand das auch sehr gut.
    Hitziger sagte er: Was du immer vom Hof dröhnst – vor dir kommt jedenfalls noch der Max.
    Bekommt ihn aber auch nicht, sagte Hannes trotzig. Schneide man weiter, Vater.
    Stellst du hier an oder ich? schrie der Vater. Ich schneide, wann’s mir paßt.
    Gerade darum, sagte der Junge, man müßte schneiden, wann’s das Vieh braucht.
    Der Vater war zornrot bis auf die Glatze hinauf, der Junge sah es. Er erinnerte sich eben gerade an das hundertmal unregelmäßig gefütterte Vieh, besonders aber an eine Kiste mit Nägeln, die er, der Junge, Stück für Stück aus alten Brettern zusammengesucht, und die der Alte in seiner Betrunkenheit hingeworfen hatte. An die ganz besonders.
    Es sah aus, als wollte der Vater für diesmal den Jungen prügeln, was er nie tat, er schlug nie ein Kind. Aber er besann sich wieder. Ach was, murrte er, nahm seine Jacke vom Stroh, zog sie an, den Jungen immer finster ansehend, und ging aus der Scheune. Entweder hatte er die Häcksellade ganz vergessen, oder er wollte nun gerade nicht häckseln.
    Der Junge sah dem Vater nach. Der Vater ging nicht ins Haus, auch nicht zu den Ställen, auch nicht aufs Feld – er ging den Weg zur Chaussee.
    Der Junge brannte lichterloh in seinem Zorn und Kummer, er sah den Bruder Max, er schrie über den Hof: Max, komm längs, Häcksel schneiden! Vater geht in den Krug!
    Der Vater machte mit einem Ruck kehrt. Er lief fast auf den Jungen zu, der sich eng gegen den Bansenverschlag drückte. |99| Nun hatte er doch Angst. Der Vater war ganz weiß, er war so aufgeregt, daß er kaum sprechen konnte.
    Du, stotterte er, du kriegst den Hohohof doch nie! Der Sohn sah den Vater wortlos an. Der Vater wurde noch zorniger: Ich schwöre hier, wie ich steh, nie sollst du einen Pflug auf diesem Hof anzufassen kriegen. Der Junge sah den Vater an. Nie sollst du säen, nie sollst du ernten, schrie der Vater noch, aber der Hauptzorn war vorbei. Er drehte sich um mit einem Ruck und ging doch ins Dorf.
    Dieser Streit zwischen Sohn und Vater, der einzige in vielen Jahren, änderte an dem Verhältnis der beiden äußerlich fast nichts. Hannes war weiter sein Liebling, viel mehr als der kleine, untersetzte, schwerfällige Bruder Max. Der Vater sprach weiter mit Hannes, lachte mit ihm, aber nie wieder nahm ihn der Vater mit aufs Feld hinaus, nie wieder ging er mit ihm in einen Stall. Wenn die eiligste Heuernte war, und alles mußte mit zufassen, Hannes wurde ausgeschlossen. Suchte er sich aber selbst eine Arbeit, so kam sicher irgendein Knecht oder eines von den Geschwistern oder der Vater selbst und nahm sie ihm stillschweigend aus der Hand. Der Junge war und blieb ausgeschlossen von der Arbeit und damit von dem Leben auf dem Hof. Er hätte sich vielleicht stärker dagegen aufgelehnt, immer wieder sein Recht auf Mitarbeit gesucht, wenn der Vater damals, an jenem Streittage, wirklich in den Krug gegangen wäre. Aber dahin war der Vater nicht gegangen. Der Vater hatte einen Schwur getan, und der sollte nicht eben so hingesagt sein, im Zorn, nein, er hatte richtig geschworen. Nein, der Vater war zum alten Superintendenten Marder gegangen und hatte seinen Sohn Johannes für fünf Schulstunden täglich zur Vorbereitung aufs Gymnasium da angemeldet. So, nun wurde der Sohn kein Bauer, aber ein Garnichts sollte er darum doch nicht werden. Er sollte die Wissenschaft lernen. Es war eine teure Sache für den Bauern Gäntschow, denn »ol Superdent Marder« war bekannt dafür, daß er nicht nur redensartlich, sondern wirklich von den Lebenden und Toten zog, aber es mußte gehen.
    |100| Und dieser Streit hatte noch eine andere Wirkung: der Vater schwor für viele Jahre das Saufen ab. Da hatte dieser Knirps, dieser Garnichts vor dem Vater gestanden und gesagt, behauptet, angedeutet und behauptet, es würde eines Tages nichts mehr zu erben da sein, der Hof würde verludert werden. Warum hatte der Vater getrunken, dann einmal und zwei Monate später wieder einmal? Weil er allein war, weil sich nichts lohnte, weil die Frau nichts taugte, weil es doch nicht auf ihn ankam. Weil es egal war, wie man seine Felder bestellte, weil wir doch eines Tages alle tot sind und dann all unser Tun zwecklos geworden

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