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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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klar darüber, daß er in seiner Wut einen schönen Unsinn gemacht hatte. Weil man den einen Tag aus dem Schlitten gesprungen war, brauchte man nicht den andern Tag aus einem Fenster zu klettern. Weil Windmüllers Adi dämlich gegrinst hatte, brauchte man nicht mit Christiane Streit anzufangen. Aber so war er – und nun mach mal was dabei!
    Als er an Müllers Adi gedacht hatte, hatte er unwillkürlich Schnee zu einem Schneeball aufgesammelt. Er knetete ihn voll Wut so lange, bis es ein richtiger Eisball geworden war, und wäre jetzt Adolf Dittmann in Wurfweite gewesen, hätte er eine Beule zu besehen gehabt.
    Aber kein Adi Dittmann kam. Dafür aber hörte er hinter sich den Hufschlag eines Pferdes. Erst schielte er argwöhnisch, vielleicht waren ihm »die Feinde schon auf der Spur«. Dann aber sah er, daß es ein gewöhnlicher Einspänner war. Als er den Fahrer erkannte, war es der Fleischer Frehle aus Dreege, der vor ein paar Wochen die Blanka bekommen hatte. Der Fleischer war schon halb an dem Jungen vorbei, als er einen Blick zur Seite tat. Er parierte das Pferd. Bist du nicht einer von den Gäntschows Jungen? Willst du nach Dreege? Spring auf. Es ist heute frisch.
    Der Junge kletterte auf den Karren.
    Da, nimm den Pferde-Woilach um. Es pustet heute tüchtig. Der Bodden ist schon ganz zugefroren.
    Liegen Dampfer unten?
    Nein, keiner, nur der Blücher.
    |115| Der Blücher ist doch auch ein Dampfer, ein Raddampfer sogar, widersprach Johannes.
    Der Blücher ist doch kein Dampfer, sagte der Fleischer. Der Blücher ist doch ein Malheur.
    Und nun lachten sie beide, denn der Blücher war so alt und betagt, daß er für eine Fahrt nach Stralsund, die ein anderer Dampfer in drei Stunden fuhr, neun brauchte. Wenn er überhaupt hinkam.
    Bist du nicht der Gäntschow, der beim alten Marder jetzt Unterricht hat? fragte der Fleischer.
    Ja, sagte Hannes unwillig, denn jetzt mußte ja unbedingt die Frage kommen, warum er denn nicht im Unterricht, sondern auf der Landstraße sei.
    Vielleicht aber interessierte sich der Fleischer nicht so sehr für die Zeiteinteilung des jungen Gäntschow. Ist das wahr, fragte er, daß du mit der Gräfin zusammen Schule hast?
    Das ist doch keine Gräfin, äffte ihm Johannes nach, das ist doch eine Freiin.
    Wieso, sagte der Fleischer, aus allen Himmeln gefallen, ließ die Peitsche sinken und starrte den Jungen groß an. Wenn’s die Tochter von einem Grafen ist, ist es ’ne Gräfin, und wenn’s die Tochter von ’nem Freiherrn ist, ist’s ’ne Freiin.
    Sie hat mir aber selbst gesagt, daß sie ’ne Freiin ist.
    I du Donner, dann ist er vielleicht gar nicht Graf? Dann ist er bloß Freiherr?! Er überlegte. Oder ist Freiherr mehr als Graf?
    Viel mehr, sagte Johannes aufs Geratewohl. Manche sagen auch Baronesse zu ihr.
    Dann wäre er wieder Baron? Nee, auf den Holzrechnungen steht aber Gräflich Fiddesche Forstverwaltung. Er sah Johannes bekümmert mit seinen kleinen, eiligen Augen über den feisten, blaurot gefrorenen Backen an. Na, du weißt wohl auch noch nicht so damit Bescheid, daß du mir das Zeugs richtig erklären kannst. Wie sagst du denn zu ihr?
    Ich sage Christiane.
    |116| Christiane? Einfach Christiane? I du Donner! Ja, ich habe es schon gehört, du bist mit ihr im Schlitten gefahren. Die Leute haben was gestaunt.
    So, sagte Johannes mürrisch.
    Ja, ja, nickte der Fleischer, wo viel Wolle ist, ziehen sich die Motten hin. Paß nur auf, daß du nicht zu hochnäsig wirst.
    Was sagen denn die Leute, fragte Johannes nun doch.
    Ach, das sind doch alles bloß Neidhammel, sagte der Fleischer verächtlich. Solche Bauern, die nicht von ihrem Mist runterkommen. – Na, wenn du zum Hafen willst, mußt du jetzt absteigen. Ich fahr hier links.
    Schön, sagte Johannes und schlitterte langsam und gedankenvoll zum Hafen hinunter. Der erste Mensch, den er dort traf, war sein Bruder Max. Und der zweite sein Vater. Sie verluden Roggen in einen Kahn.
    Was machst du denn hier, Hannes?
    Hab was zu bestellen für Herrn Superdenten, sagte Hannes streng, ging eilig weiter, um das Bollwerk herum, auf den Blücher zu, über die Laufplanke. Ein Maschinist, Putzwolle in der Hand, hielt ihn an.
    Junge, wo willst du denn hin?
    Wo is’n der Käpten?
    Zu Hause.
    Wo zu Hause?
    Auf ’m Lande.
    Wo auf ’m Lande?
    Bei Stralsund.
    Wo bei Stralsund?
    In Triebkendorf, aber …
    Wie weit is es denn von Stralsund bis Triebkendorf?
    Drei Stunden zu laufen, aber …
    Hat denn Triebkendorf auch ’n Hafen?
    ’n Hafen? Wo soll

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