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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ernstlich weh getan hatte – und warum sollte er das eigentlich? Er hätte kein Tier sinnlos geschlagen – bloß weil sie eine Freiin Fidde war? Aber, wie gleichgültig ihm das war! Was gingen ihn die alten Geschichten an. Außerdem hatte sein Großvater wirklich gewildert. Und doch hatte er dem Grafen Fidde damals die Flinte zurückgeschickt, mit einem Hasen dazu: Schönsten Dank, aber sie tauge nichts, sie schösse zu tief. Nein, keine Ursache, auf die Fiddes böse zu sein.
    Sie hatte da ein paar Sachen gesagt, zum Beispiel, daß man anders werden könnte. Er war nicht überzeugt davon, aber vielleicht hatte sie doch recht. Er mußte darüber nachdenken. Es war etwas daran. Auch er sah ja zum Beispiel, daß Vater nicht so war, wie er sein müßte, und vor allem, wie er hätte |120| sein können. Mit sich war er auch nicht ganz zufrieden. Gutes Geld und schlechtes Geld, jawohl, das konnte sie sagen, aber das war nun wieder anders. Daß sie so etwas sagen konnte, das kam daher, weil sie nie wirklich ohne Geld war. Gewiß, man durfte nicht stehlen, man tat es wenigstens nicht, aber einen Viehhändler durfte man reinlegen, einen Blitzableiter durfte man herunterklettern – und: Du, Christa, sagte er eifrig, dann ist es aber auch schlechtes Geld, das der Marder für seinen Unterricht bekommt. Er tut doch fast gar nichts, und mein Vater denkt, er sitzt fünf Stunden bei uns. Sie machte nicht die geringsten Umschweife. Das ist es auch, gab sie zu.
    Und das Geld, das er als Pfarrer bekommt, ist denn das gutes Geld?
    Ich weiß nicht, sagte sie zögernd.
    Na, du siehst doch, wie er seine Predigten macht. Husch, husch, drei Bücher nachgeschlagen, husch, husch, fertig. Das kann ich auch. Das kann jeder. Und wie er sich um die Leute kümmert!
    Ja, er hat viel zuviel vor, gab sie zu. Nun auch noch der Hof.
    Nicht wahr, er wird doch als Pfarrer bezahlt, und nun spielt er dazu den Großbauern. Weißt du das mit dem Ziegenbock?
    Nein, sie wußte es nicht. Der Superintendent, der Marder, war doch solch mißtrauischer, knifflicher Mensch. Keinem traute er. Keine Arbeit wurde gut genug und schnell genug gemacht, nach allem sah er selbst, und immer wurde zuviel veraast. Da hatte er nun diese vier Pferde im Stall stehen, wie im vorigen Winter, so jetzt im Winter, und sie taten rein gar nichts. Auf den Acker konnte man nicht, zu fahren war nichts mehr, sie standen im Stall, fraßen immer weiter den teuren Hafer, zu acht Mark den Zentner, und schlugen die Stände vor lauter Übermut kaputt.
    Der Superintendent war ein moderner Landwirt. Er besaß gedruckte Fütterungstabellen: verdauliches Eiweiß, Kohlehydrate, Stärkewerte. Der Superintendent rechnete und rechnete. Er rechnete für seine Pferde ein »lebenerhaltendes« |121| Futter heraus, ein Minimum an Nährstoffzufuhr, und er dachte dabei nicht daran, welches Futter seinen Pferden nun auch bekömmlich war. Das verdauliche Eiweiß, der Stärkewert, die machten es!
    Darüber wurden die alten Schinder immer jämmerlicher und hinfälliger. Die Knechte, die ihre Pferde gern gehabt hatten, sagten den Dienst auf, und es kamen Lumpen an ihrer Statt, denen die Tiere gleichgültig waren. Ja, die den Superintendenten, in ihre Bärte grienend, noch in seiner Sparsamkeit bestärkten. Es war ein Anblick, der einem das Herz im Leibe umdrehen mußte, kam man in den Stall: mit gesenktem Kopf, trüben Augen, lang herunterhängenden, schlaffen Lippen, rauhem, strubbligem Haar standen die Pferde auf zitternden Beinen in den Ständen und wußten nicht mehr, ob sie sich zum Leben oder Sterben entschließen sollten. Sie gewöhnen sich, es ist nur der Übergang, sagte der Superintendent zu Besuchern, die wortlos diesen Jammer betrachteten. Ich habe es genau berechnet. Es ist ein Futter, das das Leben erhält und doch keinen Übermut aufkommen läßt. Und dann, sagte er hoffnungsvoller, habe ich schlechte Knechte gehabt, die immer nur Hafer füttern wollten – mit Hafer können alle füttern! Aber jetzt habe ich tüchtige Leute, die meine Futterprinzipien verstehen.
    Der Besucher überlegte trübsinnig, ob man nicht an den spitzen Schulterknochen gut die Mütze aufhängen könnte. Aber der Geistliche fragte eifrig den Knecht: Na, was macht der Schimmel, Ernst?
    Oh, er macht sich, Herr Super, sagte der Knecht. Er macht sich. Heute früh hat er einmal tüchtig geschnaubt und mit dem Vorderhuf im Stroh gekratzt.
    Sehen Sie, sagte der Superintendent, es ist nur die Umstellung, der Mann sagt auch, er macht

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