Wir hatten mal ein Kind
denn da das Wasser für herkommen?
Also kein Hafen?
Nein.
|117| Warum sagen Sie mir das nicht?
Ich hab’s doch gesagt!
Na, denn ist’s ja gut. Guten Morgen.
Und Johannes ging gravitätisch über die Laufplanke wieder ans Ufer.
Hallo, rief der Maschinist hinter ihm.
Hallo, rief Johannes und drehte sich um.
Was hast denn eigentlich gewollt?
Das hab ich dir doch gesagt.
Nee, das hast du mir nicht gesagt.
Na, denn ist’s ja gut. Guten Morgen. Und Johannes ging entschlossen weiter.
Hallo, schrie es hinter ihm. Der Maschinist, seinen Wisch schmutzige Putzwolle immer noch in der Hand, war über den Laufsteg an Land gekommen.
Hallo, rief Johannes und blieb in zwölf Schritten Abstand stehen.
Was haste gewollt, sollst du sagen, schrie der Maschinist wütend.
Düsige Schmierjacke, schrie Johannes zurück. Ätsch! und rannte los, daß die Beine flogen.
Eine Stunde später betrat ein sehr fideler, aufgeräumter Johannes die superintendentliche Arbeitsstube, wo der Geistliche noch immer von seiner Schülerin zu erfahren suchte, was eigentlich mit dem Johannes, mit ihr, mit ihnen beiden los sei.
Tag, Herr Superdent. Vater hat gesagt, ich soll doch was lernen. Entschuldigen Sie man. Tag, Tia. Sag mal, wie kommt das, daß dein Vater Graf ist und du bist Freiin? Ist denn dein Vater auch Freiherr?
Johannes, rief der Geistliche, wo kommst du her?
Von Vater.
Johannes! Dein Vater ist heute um halb neun hier vorbeigefahren.
Nach Dreege, Roggen in den Kahn verladen, da war ich auch. Stimmt alles, Herr Superdent.
|118| Der Superintendent seufzte. Also jedenfalls scheinst du dagewesen zu sein. Und warum bist du an meinem Spalier runtergeklettert?
Darf ich das nicht, Herr Superdent? Wir haben zu Haus auch ein Spalier, Da klettern wir immer in die Giebelstube rauf. Vater sagt nichts.
Ich glaube, sagte der Geistliche, du spielst augenblicklich ein bißchen Theater, mein Sohn. Da aber deine Mitschülerin Christiane auch etwas geheimnisvoll ist, will ich euch fünf Minuten einander überlassen und hoffe, daß dann ohne alle Geheimnisse weitergearbeitet wird. Jetzt will ich nur mal schnell …
Also, wie ist es mit der Freiin? fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. Warum bist du denn wiedergekommen?
Ich weiß auch nicht, sagte er plötzlich in ganz anderm Ton. Ich habe erst einen und dann noch einen verklapst, und da war ich so guter Laune, daß ich nicht mehr wütend sein konnte. Außerdem hast du wirklich an nichts schuld.
Sie schüttelte wieder den Kopf. Das mag ich aber gar nicht. Wenn du immer erst ein paar verklapsen mußte, um zu sehen, daß du unrecht hast. Das will ich nicht.
Ich bin doch nun mal so, und Vater ist auch so, und Großvater war auch so. Alle waren überhaupt so. Da kann man gar nichts machen, Tia.
Da kann man viel bei machen, sagte sie streng.
Bist du schon mal oben auf dem Leuchtturm gewesen? fragte er. Hundertdrei Meter ist der hoch. Ich hab gehört, man kriegt fünfzig Mark von dem verrückten Maler in Fabiansruh, wenn man den Blitzableiter runterklettert. Fünfzig Mark wären fein.
Das möchtest du wohl tun? Und dir alle Knochen dabei zerbrechen!
Ich brech mir doch nicht die Knochen. Ich mach die Augen zu und rutsche einfach runter.
Wegen lumpiger fünfzig Mark?
|119| Fünfzig Mark sind doch nicht lumpig, na weißt du! Fünfzig Mark, sagte er eifrig, weil er einen Gedanken hatte, das ist ein ganzer Morgen Roggen. Denk mal: schälen, eggen, pflügen, wieder eggen, säen, im Frühjahr noch mal eggen, mähen, binden, puppen, dreschen, sacken, auf den Boden bringen, wieder sacken, verladen, alles für fünfzig Mark. Das ist eine Masse Arbeit. Du könntest sie nicht tun – für das lumpige Geld.
Aber für den Roggen ist es gutes Geld, und für den Blitzableiter ist es schlechtes Geld.
Ach nee, sagte er ganz erstaunt. Gibt es gutes Geld und schlechtes Geld?
Jawohl gibt es das, sagte sie sehr böse. Wenn man stiehlt, ist es auch schlechtes Geld.
Aber Blitzableiter und Stehlen ist ein riesiger Unterschied.
Das ist genauso, wie wenn man fröhlich dadurch wird, daß man Leute veräppelt, rief sie und brach in Tränen aus.
So fand sie, wieder ganz ratlos, der Superintendent.
Ja, sie waren beide so verschieden, jedes war ganz anders aufgewachsen wie das andere, in fast nichts waren sie einer Meinung. Er haßte Heulen – und doch waren es diese ihre Tränen, die für lange Zeit alle Spannungen zwischen ihnen lösten. Irgendwie begriff dieser Bengel, dieser ewige Stacheligel, daß er ihr
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