Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
Superintendent, das ist nun so bei uns: im Winter blüht den Gastwirten ihr Weizen, da kann die Frau nicht fort. Aber vielleicht im Sommer, wenn dann noch Geld da ist. Er lacht herzhaft.
    Warten Sie nur nicht zu lange, Herr Reese.
    Ach, diese kleine Sache! Doktor Westfahl übertreibt ja immer. Nun, das kann man ihm nicht übelnehmen, Trommeln gehört zum Handwerk. Und der dicke Reese lacht. Aber sein Seelsorger ist hartnäckig: Haben die Leute nicht von Krebs geredet, Reese?
    Krebs! Wenn ich das nur höre. Wie die Leute so was verantworten mögen. Eine ganz kleine Geschichte. Frauen stellen sich ja auch immer an. Übrigens … Er stockt.
    Aber, fängt der Superintendent an.
    Übrigens, sagt Reese böse, wissen Sie ja selbst, Herr Superintendent, wie es ist, Herr Superintendent, Ihnen ist ja auch die Frau gestorben, und Sie haben immer gesagt, es ist nur ein bißchen Husten.
    Auch, denkt der Superintendent und hört die jammervolle Stimme oben wieder. Jetzt gehe ich wieder rein, sagt er.
    Ja, es ist noch immer frisch, bestätigt der Gastwirt. Noch einen Grog, Herr Superintendent?
    Sie können mir, sagt der Superintendent langsam, Sie können mir erst einen großen Kognak geben, und dann einen Grog.
    Schön, Herr Superintendent. Ja, es ist frisch. Der Vollmond bringt uns neue Kälte …
    In der Gaststube ist ein neuer Kunde eingetroffen: der Nachtwächter Marsiske steht da in seinem langen, grauen, |134| dutzendfach geflickten Mantel, das Tutehorn an einem Lederband um, das dicke Gesicht mit der knolligen Nase frostgerötet, an einem geknoteten Bindfaden seinen Schäferspitz mit den hellen, klugen Augen. Er hat aufgeregt etwas erzählt, aber er ist schon gewarnt. Im Augenblick, da die Tür geht, schnappt er ab und sagt dann langsam: Ja, an der Post sind’s wieder zwei Grad.
    Der Roggen wird noch auswintern.
    Vor allem der Weizen.
    Guten Abend, Marsiske, sagt der Geistliche, geht langsam durch das Gastzimmer und stellt sich an den Ofen. Nun, was haben Sie eben erzählt, als ich hereinkam?
    Der Nachtwächter sieht seinen Seelsorger verlegen an: Ich? Gewiß nichts, Herr Super. Wir haben von der Kälte gesprochen.
    Bitte, Ihr Kognak, sagt Reese. Der Grog kommt auch gleich.
    Und was haben Sie von der Kälte erzählt? beharrt der Geistliche, nachdem er seinen Kognak mit einem Schluck hintergegossen hat.
    Aber nichts, sagt Marsiske beteuernd, gar nichts! Wir sind eben erst rein. Nicht wahr, Polli?
    Der Spitz sieht hoch mit seinen wachen Augen zu dem Mann und wedelt langsam mit der buschigen Rute.
    Einen Augenblick ist Stille. Also du reizt, sagt Kaufmann Lindemann zu Kaufmann Stavenhagen.
    Du kannst es ihm ja ruhig sagen, meint der schwarze Behn langsam zum Nachtwächter und deutet mit dem Kopf zum Geistlichen. Das ist nämlich wieder mal soweit, sagt er selber langsam und deutlich, Herr Superintendent, daß es wieder spöken soll auf Ihrem Kirchhof.
    Der Superintendent trinkt seinen Grog aus, auch den trinkt er auf einen Zug ganz aus. Er ist böse und erleichtert. Reese, noch einen Kognak, sagt er. Wissen Sie, Marsiske, daß Sie noch immer diese alten Albernheiten aufwärmen mögen, vom Kapitän Schlung, der sich aufgehängt hat und keine |135| Ruhe findet. Und daß Sie so was weitertragen mögen, Herr Behn. Daß hier große, erwachsene Männer sitzen und hören sich so etwas an, nun, ich für meine Person finde so etwas einfach kindisch.
    Er trinkt schon wieder und macht eine Kopfbewegung zum Gastwirt, der ihm das Glas neu füllt. Der Nachtwächter sieht ziemlich betreten aus. Aber unerschüttert läßt sich Behn mit seiner langsam knarrenden Stimme vernehmen: Es ist diesmal aber nicht Kapitän Schlung, Herr Superintendent, es ist diesmal …
    Alle Gesichter haben sich dem Superintendenten zugewendet und starren ihn erwartungsvoll und schadenfroh an. Es ist Ihr Bock, Herr Superintendent. Diesmal hat sich Ihr Bock auf dem Kirchhof gezeigt.
    Der Geistliche macht eine wütende Bewegung, will etwas sagen, besinnt sich und trinkt aus. Sein Glas wird sofort wieder gefüllt. Und das kann man ja wohl verstehen, knarrt Behn unerträglich langsam weiter, wo das Untier doch das heilige Gotteshaus geschändet hat. Daß es da keine Ruhe findet und umgeht an der Stätte seines Verbrechens, das kann ja auch ein dummer Bauer verstehen, Herr Superintendent, sagt Behn.
    Das ist nun schon die reine Ironie, und es ist eine rechte Qual, diesen Heiden Behn, der sicher seit seiner Trauung nie wieder in der Kirche gewesen ist, vom heiligen

Weitere Kostenlose Bücher