Wir hatten mal ein Kind
gedacht hatte. Dann aber ging er mit ganz raschen, leisen und leichten Schritten an den Schreibtisch, direkt in die Nähe dieses verruchten Bockes, griff ohne Zögern nach dem großen Tintenfaß, aus dem er seine Predigten bestritt, und schleuderte das Faß wie sein großer Vorgänger Martinus Luther aus allernächster Nähe gegen den Kopf des Teufels.
Das Faß zersplitterte, eine blauschwarze Welle ergoß sich über den Kopf und färbte ihn, der Bock stieß ein jammerndes Gemecker aus und jagte aus dem Zimmer, den Gang, die Treppe hinunter. Unten klirrte eine Fensterscheibe, das Gemecker wurde ferner und ferner und verlor sich. Aber auf des Geistlichen Gesicht lag ein stolzes Lächeln. Er sagte: So! und ging, ohne die Verwüstung auch nur mit einem Blick zu beachten, schnurstracks ins Bett.
Und was war mit dem Bock? fragte Christiane.
Johannes Gäntschow hat der Christiane Fidde natürlich nicht ganz die eben berichtete Geschichte erzählt. Er hat sie erzählt, wie er sie von seinem Vater gehört hatte, von einem Pferdeknecht, dem Bauern Behn, und dem feigen Nachtwächter Marsiske, der den Superintendenten als Gespenst auf dem Kirchhof gesehen – nach zehn verschiedenen Quellen hatte er sie erzählt. Sicher wurde seine Fassung dem Superintendenten Marder, der sich doch immerhin als ein unbekümmerter und mutiger Mann gezeigt hatte, nicht ganz gerecht. Sonst hätte Christiane am Ende nicht fragen können: Und was war mit dem Bock?
O Gott, der Bock, sagte Johannes Gäntschow verächtlich, der war den Blücher-Leuten natürlich beim Anlegen auf Camminer Fähre ausgerissen und schön sutje nach Hause gezuckelt. Er hat sich noch vier, fünf Wochen, schrecklich anzusehen, auf der Insel herumgetrieben und alle Frauen in Grauen verjagt. Auf die Superintendantur ist er aber nie wieder gekommen. Das Tintenfaß hat ihn zu böse gemacht. Schließlich hat ihn deines Vaters Förster erschossen.
Und so was ist nun Pfarrer, sagte dann Johannes Gäntschow |141| und kam damit auf den Anlaß seiner Erzählung zurück. Und ist und bleibt es sein ganzes Leben. Und bekommt einen Haufen Geld dafür –
Sagst du das, fragte Christiane schnell, wegen des Pfarrers oder wegen des Geldes?
Auch wegen des Geldes, sagte er trotzig, gerade wegen des Geldes.
Ich glaube,
du
weißt gar nicht, was Geld ist, sagte sie nachdenklich.
Weißt du es denn? fragte er rasch dagegen. Ich glaube,
du
weißt es gar nicht.
Jawohl, wenn sie sich auch nähergekommen waren durch jene Tränen, nahe waren sie einander nicht. Der Christiane schien es immer, als wehre sich Gäntschow gegen sie, als sei er von einem stummen, zornigen Widerstand besessen, endgültig nachzugeben, Freundschaft zu schließen, Vertrauen zu haben. Vielleicht lag es daran, daß sie in einem Schloß wohnte, reine, neue Kleider trug, weil sie »reich« war und er arm. Aber vielleicht lag es auch an etwas ganz anderm. Daß er nämlich überhaupt nicht vertrauen wollte. Keines Freund sein, für sich allein sein. Der Papa hatte gut reden und über die wilden Urzeittiere, die Gäntschows, spotten. So einfach war es nicht. Und sie versuchte es auf viele Weisen.
Es fiel immer weiter Schnee. Dazwischen fror es stark. Es war die herrlichste Schlittenbahn seit vielen Jahren, man fuhr auf Watte durch schweigendes Land. Willst du nicht wieder mal mit im Schlitten fahren?
Er schüttelte bloß den Kopf, und sein Gesicht bekam jenen verbissenen Ausdruck, der so gut zu den schmalen Lippen, dem starken Kinn und den großen Augen paßte.
Ich laß meinen Einspännerschlitten anspannen, schicke den Eli fort, und wir fahren selbst.
Einen Augenblick leuchteten seine Augen auf, aber das Licht erlosch sofort wieder. Nein, sagte er.
Aber warum denn nicht? Du mußt mir doch wenigstens einen Grund sagen können.
|142| Er überlegte einen Augenblick. Weil ich keinen Schlitten habe, in den ich dich einladen kann, sagte er mürrisch.
Du siehst, Christa, erklärte der Graf, die Welt zugeschnitten nach dem Maße des Gäntschowschen Bauernhofes. Da ist nichts zu machen. Aber bring ihn doch einmal her, deinen Wildfuchs. Oder wo kann man ihn sich beschauen?
Ach, Papa, sagte Christiane nur.
Trotzdem berichtete sie ihm davon. Du kannst mich gerne besuchen. Papa hat es erlaubt. Du wolltest doch immer gern mal unser Haus sehen – sie vermied das Wort Schloß –.
Nein, sagte er.
Und warum nicht?
Weil du mich auch nicht besuchst.
Sie grübelte ziemlich lange über dieser Antwort, und eines Nachmittags, als Miss
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