Wir in drei Worten
war die Versicherung, dass niemand gestorben sei. Ben zeigte Verständnis, als ich aus der Bar rannte und in ein Taxi sprang.
Caroline öffnet die Tür, und die Worte »Alles in Ordnung?« ersterben auf meinen Lippen.
Ihr Gesicht ist mit grauen Mascaraspuren verschmiert, in die sich Tränen mischen, und die Haut im Ausschnitt ihres T-Shirts ist flammend rot, als hätte sie nervös herumgekratzt.
Ich gehe auf sie zu, um sie zu umarmen, aber sie hält Abstand.
»Danke fürs Kommen«, sagt sie tonlos, schnieft laut und geht ins Haus zurück.
Ungeschickt schließe ich die Tür hinter mir und folge ihr, während sie die Position einnimmt, in der sie sich vermutlich schon vor meiner Ankunft befunden hat – auf der Seite liegend auf dem mit Papiertaschentüchern übersäten Ledersofa. Ich lasse mich gegenüber in einen Sessel fallen und bemerke die fast leere Weinflasche und ein halbvolles Glas auf dem Couchtisch.
»Wo ist Graeme?«
»Graeme hat eine Affäre«, platzt sie heraus. Das letzte Wort klingt durch die aufsteigende Tränenflut verzerrt.
»Oh, Gott, Caro.« Ich knie mich neben das Sofa und lege meine Hand auf ihren Arm, während sie schluchzt. Es ist schrecklich, sie so zu sehen, wo sie sonst immer absolut beherrscht ist. Es ist ungefähr so verstörend, wie die eigenen Eltern beim Sex zu hören oder die Großeltern ohne Gebiss zu ertappen. Mir fällt nichts anderes ein, als zu fragen: »Wie hast du es herausgefunden?«
Sie wischt sich mit den Daumen die Tränen unter den Augen weg und stößt hervor: »Er hat heute Morgen sein Mobiltelefon vergessen. Mir war klar, dass er es vermissen würde, also habe ich es in die Arbeit mitgenommen, um es ihm in der Mittagspause vorbeizubringen. Als der fünfzehnte Anruf von einem ›John‹ auf dem Display erschien, habe ich mich gemeldet, um zu sehen, was ›er‹ wollte.«
Caroline hält inne, um ihre Stimme zu beruhigen. Ich streiche ihr über den Arm und hoffe, dass es sie eher tröstet als nervt.
»Ich bin aus dem Büro weg, habe ihn angerufen und bin nach Hause gefahren, um auf ihn zu warten.« Sie legt eine kurze Pause ein. »Er hat tatsächlich versucht, sich darüber zu beschweren, dass ich seine Privatsphäre verletzt hätte, als ich sein Telefon mitgenommen habe. Dieser blöde Wichser.«
»Wo ist er jetzt?«
»Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal. Bei
ihr
wohl eher nicht, denn sie ist verheiratet und hat Kinder.«
»Eine Arbeitskollegin?«
»Ja. Er sagte, es sei ein dummer Fehler gewesen und er sei erleichtert, dass ich es herausgefunden habe. Kannst du dir diese Frechheit vorstellen? Vorher hat er sämtliche Klischees von sich gegeben. ›Wir wollten das eigentlich gar nicht‹, ›Wir waren betrunken und weit weg von zu Hause‹, ›Ich wusste nicht, wie ich die Sache beenden sollte‹. Wenn man ihn so jammern hörte, konnte man beinahe denken, dass er mit vorgehaltenem Messer dazu gezwungen wurde, die Hose runterzulassen.«
Eigentlich sollte ich jetzt sagen, dass ich es von allen Ehemännern am wenigsten von Graeme erwartet hätte, aber das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Stattdessen entscheide ich mich für: »Es ist schrecklich, dass er dir das angetan hat.«
»Er hat gesagt, ich trage einen Teil der Schuld, weil ich mit meinem Job verheiratet und nie da bin, wenn er mich braucht.«
»Was?!« Ich versuche, nicht zu schreien. »Aber das ist bei ihm doch auch nicht anders! Und er war immer so stolz auf deine beruflichen Erfolge. Er könnte gar nicht mit jemandem zusammen sein, der nicht so ist wie du.«
»Anscheinend schon, und zwar immer wieder, in verschiedenen Städten Großbritanniens und anderer europäischer Länder. Kein Wunder, dass er so großen Wert auf ein Roamingpaket für sein Telefon gelegt hat. Ein Roamingpaket, ha.«
Je mehr ich über den Vernachlässigungsvorwurf nachdenke, um so mehr knirsche ich mit den Zähnen. »Wie lange geht das schon?«
Caroline greift nach ihrem Glas und leert es in einem Zug. »Ein paar Monate. Falls er die Wahrheit sagt. Er hat mir Beweise angeboten, aber ich kann darauf verzichten, alles bis ins kleinste Detail zu erfahren.«
Ich schüttle den Kopf.
»Ach ja, willst du etwas trinken?« Caroline richtet sich auf und starrt trübsinnig auf den Weinrest. »Ich habe noch mehr im Kühlschrank.«
»Ich hole ihn«, biete ich an und ziehe meinen Mantel aus. »Du bleibst hier.«
»Ich melde mich morgen in der Arbeit krank, also kann ich ebenso gut tatsächlich krank sein«, ruft sie mir
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