Wir in drei Worten
sagte: »Nimm es, nimm es alles!«, und Rhys fauchte: »Ist es dir denn so wenig wert?«
Mindy steckt den Schlüssel in das Schloss der anonym wirkenden Wohnung 21 und stößt die Tür auf. »Scheiß die Wand an«, haucht sie ehrfürchtig. »Sie sagte zwar, dass es eine nette Wohnung sei, aber ich habe nicht geahnt, dass sie so toll ist.«
Wir treten in die Mitte eines riesigen Raums mit Wänden aus bloßen Ziegeln. Vor uns erstreckt sich ein heller Holzboden wie Wüstensand. Hier und da fällt honigfarbenes Licht aus senkrecht angebrachten Papierlampen. Die Lampen sehen ein wenig aus wie verpuppte Aliens; vielleicht wird sich gleich ein Bandmitglied von
Spinal Tap
aus ihnen herauswinden. Das L-förmige Sofa im Sitzbereich ist eine riesige Fläche verschneiter Tundra mit vereinzelten Kissen in Farbtönen von Elfenbein bis Beige-Grau. Ich streiche im Geiste alle Mahlzeiten mit Sojasauce, rotem Wein oder Schokoladenkrümel von meiner Liste. Das betrifft damit die meisten Freitagabende.
Mindy und ich wandern durch die Wohnung und stoßen überraschte Laute aus, als wir das gläserne Waschbecken im Badezimmer entdecken oder den an der Wand angebrachten CD -Player, das riesige Bett mit der silberfarbenen Tagesdecke oder den Designerkühlschrank von Smeg in Eiscreme-Pink. In dieser Wohnung könnte die Protagonistin einer Sendung im Spätprogramm leben – einer dieser Serien, in denen alle unglaublich gut aussehen, vage klingende, aber lukrative Jobs haben, die ihnen viel Zeit für ausgedehnte Brunchs und leidenschaftlichen Sex lassen.
»Was ich davon halten soll, weiß ich nicht so recht.« Ich deute auf den Vorleger vor dem Sofa. Offenkundig handelt es sich um das Fell eines Tiers, das majestätisch in der Serengeti herumstreichen und nicht bäuchlings ausgestreckt unter einem Kaffeetisch von Heal’s liegen sollte. Das rauhe, haarige, leberfarbene Flickwerk verursacht mir Unbehagen. »Es hat einen Schwanz und alles. Brrr.«
»Ich werde fragen, ob du es wegtun darfst.« Mindy nickt.
»Sag ihr, ich sei allergisch gegen … Bison?« Das ist nur ein Imitat, rede ich mir gut zu. Ganz sicher.
In der Mitte des Wohnzimmers drehen wir uns noch ein paarmal mit offenem Mund im Kreis, und ich weiß, dass Mindy bereits eine Party plant. Falls es irgendeinen Zweifel über den eigentlichen Zweck dieser Wohnung geben sollte, wird er von dem Wort › PARTY ‹, das in großen goldglänzenden Buchstaben an der Wand steht, aus dem Weg geräumt. Außerdem hängt da ein Druck im Warhol-Stil – ein indisches Mädchen mit furchterregend symmetrischen Gesichtszügen schaut gebieterisch in vier Farbkombinationen auf uns herunter.
»Ist sie das?«
Mindy stellt sich neben mich. »Oh, ja. Rupas Ego ist so groß wie ein Einkaufszentrum. Siehst du diese Nase?«
»Das Ding in der Mitte ihres Gesichts?«
»Ja. Ein Geschenk zu ihrem sechzehnten Geburtstag. Vorher …« Mindy legt einen Finger auf ihren Nasenrücken und zeichnet einen Höcker in die Luft, der bis zur Oberlippe reicht.
»Tatsächlich?« Ich fühle mich ein wenig schuldig, über die Verschönerungsmaßnahmen einer Frau in ihrer eigenen Wohnung zu reden.
»Ja. Ihr Dad ist einer der bekanntesten Schönheitschirurgen in seiner Heimat, und so hat sie eine Ermäßigung bekommen. Also, was hältst du von der Wohnung?«, fragt sie unnötigerweise.
»Sie erinnert mich an diese Werbung, wo man das Alltagsleben durch eine Wodkaflasche betrachtet und alles viel aufregender aussieht.«
»Ich erinnere mich«, sagt Mindy. »Aber ich musste bei dem Spot immer an Leute denken, mit denen man schläft, nachdem man sie sich schöngetrunken hat. Soll ich ihr sagen, dass du sie nimmst? Und am Samstag einziehst?«
»Was soll ich mit meinen Sachen machen?« Ich beiße mir auf die Lippe und schaue mich um. Allein durch meine Anwesenheit ruiniere ich das Gesamtbild.
»Hast du viel Zeug?«, will Mindy wissen.
»Kleider und Bücher. Und … Küchenutensilien.«
»Und Möbel?«
»Ja. Genügend, um ein Haus mit drei Schlafzimmern zu möblieren.«
»Hängst du sehr daran?«
Ich denke darüber nach. Einige Sachen mag ich recht gern. Ich habe sie schließlich ausgesucht. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass ich mich bei einem Hausbrand schützend auf den einen oder anderen Tisch oder die zerschlissene rote Ikea-Couch werfen würde, während die Flammen höher schlagen.
»Du könntest vielleicht Rhys bitten, sie zu übernehmen. Er behält doch das Haus, oder? Es käme ihn teuer und
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