Wir in drei Worten
berieten sich im Flüsterton, unterbrochen von hämischem Gekicher. Ich umklammerte die Stuhlkanten.
»Bens Pflicht wurde beschlossen! Küss sie«, verkündete Andy und wies auf mich.
»Auf gar keinen Fall. Sie spielt nicht mit«, entgegnete Ben mit einem herablassenden Lachen.
»Na und? Haben die Leute auf der Straße, die meinen Traumhintern bewundern durften, etwa mitgespielt?«
Bens Blick wurde stahlhart. »Nein. Auf. Gar. Keinen. Fall. Wahrheit – oder ich steige aus.«
»Du hast dich entschieden.« Andy schüttelte den Kopf. »Also los.« Er streckte mir seine wackelnde Zunge entgegen.
»Würg … Ich erklär’s dir nicht noch mal«, beharrte Ben.
So absurd und albern es auch sein mochte, aber sein Würgelaut kränkte mich. Bens Entschlossenheit war vielleicht verständlich und ein Zeichen seiner Achtung mir gegenüber, aber dennoch so vehement, dass ich mich fragte, ob ihn die Vorstellung tatsächlich abstieß. Gut, er fand mich »smart«, aber das hieß noch lange nicht, dass ich keine hässliche Schabracke war, oder? Schließlich bewunderten wir auch alle das Werk von Charles Dickens, ohne gleich mit ihm in die Kiste springen und ihm seinen Rauschebart kraulen zu wollen.
»Okay, Ben ist ein Feigling. Wahrheit! Wahrheit.« Andy fuchtelte mit den Händen, um in der Kneipe für Ruhe und Aufmerksamkeit zu sorgen. »Also gut.«
Wieder steckten er und Patrick kichernd die Köpfe zusammen. Es dauerte nicht lang.
»Angesichts dessen, dass du allem Anschein nach ein echter Schürzenjäger bist, lautet deine Wahrheit folgendermaßen – mit wem hast du es gemacht, seit du hier bist? Namen. Einzelheiten.«
»Ach, nun, darüber spricht ein Gentleman nicht«, antwortete Ben, doch die anderen trommelten bereits auf den Tisch.
»So geht das nicht! Wahrheit oder Pflicht!«, rief Andy. »Wahrheit, Wahrheit, Wahrheit, Wahrheit …«
Ben biss sich auf die Lippe, während ich den dringenden Wunsch hatte, mir die Liste seiner Erfolge nicht anhören zu müssen. Eigentlich störte es mich nicht, doch sein Leben als Frauenheld spielte sich außerhalb unserer Freundschaft ab. Ich hatte sogar den Verdacht, dass er Carolines Schwärmerei aus reiner Höflichkeit ignorierte, weil sie und ich uns zu nah standen. Wenn er alle Begegnungen aufzählen und mit Namen versehen würde, hätte ich das eigenartige Bedürfnis empfunden, ihnen Gesichter und lückenhafte Biographien zu verpassen wie ein reuiger Auftragskiller, der seine Opfer Revue passieren lässt.
»Das ist nicht fair …«, Ben hatte Mühe, das Grölen und Johlen zu übertönen, »… gegenüber den Menschen, über die ich sprechen würde, oder?«
Menschen. Nun war es auf dem Tisch. Der Plural wies auf ein gewaltiges Heer von Eroberungen hin. Der Drambuie gluckerte unbehaglich in meinem Magen.
»Oh, Mann, jetzt stell dich verdammt noch mal nicht so an. Du brauchst ja nicht jeden einzelnen Blowjob protokollieren. Ha, ha, ha«, höhnte Patrick. »Sei nicht so schüchtern. Als guter Jäger hängt man sich die Trophäen an die Wand.«
»Ich gebe dir eine Starthilfe. In der ersten Woche war es die laute Louise …«, meinte Andy spöttisch.
Ich umklammerte den Stuhl fester. Meine Fingerknöchel verfärbten sich weiß.
Ben warf einen Bierdeckel über den Tisch. »Nein, auf diesen Scheiß lasse ich mich nicht ein.«
»Oh, zwing uns nicht, dich zu bestrafen«, sagte Andy. »Du willst die Einzelheiten gar nicht wissen, aber jedenfalls beinhaltet es, dass du ohne Kleider kopfüber in einer Mülltonne landest.«
Sie waren in der Überzahl, während Bens Mannschaft nur mich einschloss. Allmählich hatte ich wirklich Angst um ihn. Allerdings sollte die Gegenseite nicht bemerken, wie sehr ich mich für ihn verantwortlich fühlte. Es machte mir genug zu schaffen, dass ich es selbst wusste. Als Einzelkind hatte ich nie Geschwister auf dem Spielplatz verteidigen müssen. Aber vermutlich hätte ich mich genauso gefühlt, wenn jemand sie bedroht hätte. Es war ein Urinstinkt.
»Dann nimm Pflicht.« Ich versetzte Ben einen lässigen Rippenstoß. »Es macht mir nichts aus.«
»Wirklich nicht?«, erwiderte er ziemlich entsetzt.
Tja, nun war ich eindeutig gekränkt. Ich hatte ihm einen rettenden Spaten gereicht, und er tat so, als wolle ich damit sein Grab schaufeln, keinen Fluchttunnel.
»Ahhhhhh!«, jubelte Andy, und das Trommeln auf dem Tisch setzte wieder ein.
»Ben, echt, ist doch scheißegal!«, zischte ich. »Es ist nur ein Kuss, von dem wir wissen, dass er keine
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