Wir in drei Worten
Sicht ist.«
»Das Ende hättest du früher haben können, wenn du …« Mindy verstummt, als Ivor mit der Hand Sprechbewegungen nachahmt.
»Wirst du dich öfter mit Ben und seiner Frau treffen?«, wendet sich Caroline an mich.
Schwere Frage. Zeit, die Trumpfkarte auszuspielen.
»Vielleicht. Ich habe nämlich ein Date mit Simon.«
»Der Simon, den ich kennengelernt habe?«
»Ja. Ein Anwaltskollege von Ben«, erkläre ich Mindy und Ivor.
»Das ist ja cool! Woher dieser Sinneswandel?«, fragt Caroline und legt vor Überraschung ihr Besteck zur Seite.
Ich befürchte beinahe, dass die Erwartung genau dieser Reaktion meinen Sinneswandel herbeigeführt hat. Denn wenn sich die allgemeine Aufmerksamkeit meinem Verhältnis mit Simon zuwendet, wird niemand andere Bereiche meines Lebens unter die Lupe nehmen. Ein Täuschungsmanöver. Für meinen nächsten Zaubertrick brauche ich einen Assistenten.
»Abenteuerlust«, erwidere ich ausweichend.
»Das ist toll, Rach.«
»Wie ist er denn so?«, erkundigt sich Mindy.
»Ja, wir wollen Details hören. Welche Gewichte kann er stemmen? Wer würde ihn bei einer Verfilmung seiner Lebensgeschichte spielen?«, rattert Ivor herunter und sieht dabei Mindy an.
»Groß, blond, elitär, selbstbewusst, schlagfertig. Äh … Christian Bale, wenn der sich die Haare bleichen ließe. Fürs Fernsehen vielleicht Rupert Penry-Jones?«
»Ein echter Fang«, stellt Caroline, den Mund voller Brathuhn, fest.
Will ich mir Simon tatsächlich angeln? Eher nicht.
»Ich weiß, es ist noch früh, aber man muss jede Gelegenheit beim Schopf packen«, fügt sie hinzu, nachdem sie hinuntergeschluckt hat.
»Ja, das habe ich mir auch gedacht.«
Dabei denke ich, dass ich das überhaupt nicht gedacht habe. Als ich ging, hat Simon mich am Ellbogen gefasst. »Kann ich dich wiedersehen?«, raunte er. Und
ja
erschien mir die einzige höfliche Antwort zu sein. Außerdem war es nicht gerade unschmeichelhaft, dass sich jemand für mich interessierte, der gerade einen Vortrag darüber gehalten hatte, dass er grundsätzlich das Beste vom Besten wollte. Obwohl ich hoffe, dass er sich nur zur Show als mieses Charakterschwein aufgespielt hat.
»Und wann seid ihr verabredet?«
»Keine Ahnung. Er hat mich gefragt, ob er mich anrufen darf. Ich halte die Sache noch immer für ausgesprochen unwahrscheinlich, aber es kann ja nicht schaden, sich das bestätigen zu lassen.«
»Richtig, immer nach vorne schauen.« Zufrieden trinkt Caroline einen Schluck und blickt sich im Zimmer um. »Weißt du, der Laden ist das Geld beinahe wert. Auch wenn Rupas Küche in etwa so gut bestückt ist wie damals unsere Studentenbude.«
»Ach, ich frage mich schon die ganze Zeit, warum die Sauce in einer Vase ist«, meint Ivor.
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31
D as Münztelefon zu Wucherpreisen in unserer Studentenunterkunft war nicht das einzige Anzeichen dafür, dass unser Vermieter der Mr. Fagin von Südmanchester war. Unser Häuschen in Fallowfield war als Vierzimmerwohnung mit gehobener Ausstattung angeboten worden – Ivor war damals nicht mit von der Partie, weil er ein einjähriges Praktikum absolvierte.
»Was ist hier drin?«, fragte Caroline am Ende der Hausbesichtigung und rüttelte an einer Türklinke im Parterre. Unser Vermieter wirkte so nervös, als sei Caroline Blaubarts neue Braut und wolle in seinen Turm einbrechen.
»Das ist Dereks Zimmer«, erklärte er, so als sei ein Derek fester Bestandteil jedes Mietverhältnisses. »Er bleibt hier wohnen. Deshalb ist die Miete so günstig.«
Wir drei wechselten Blicke. So günstig nun auch wieder nicht.
»Derek.« Der Vermieter klopfte an, worauf Derek – ein schmuddeliger, hünenhafter Zeitgenosse – seinen Auftritt hatte und ein Hallo grunzte. Er promovierte in Astrophysik, vermutlich nur ein Vorwand für das Fernrohr auf seinem Fensterbrett.
Wir verdrückten uns rasch und stimmten bei Milchkaffees in einem nahe gelegenen Café überein, dass wir unter gar keinen Umständen in ein Haus mit einem Einsiedler als Dauermieter einziehen würden. Dann jedoch bestellten wir weitere Kaffees und Karottenkuchen und erörterten, wie groß die Zimmer doch waren und wie viele muffige Reihenhäuser wir schon besichtigt hatten. Derek sei sicher zu ertragen, so lange man sich in Toleranz übte und sich die Nase zuhielt. Also riefen wir den Vermieter an und sagten zu.
Zum Glück schien Derek ein Geschöpf der Nacht zu sein und verbrachte die meisten Wochenenden bei seinen Eltern in Whitby. Dort, wo
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