Wir in drei Worten
herbeiführen. Echte Gerichtsverfahren sind Musterbeispiele für todlangweilige Faktenhuberei, weil es sich nun einmal nicht umgehen lässt, sämtliche Tatsachen in ihre Einzelheiten zu zerpflücken.
Der Staatsanwalt im Kunstfehlerprozess hat die letzte halbe Stunde damit zugebracht, mit einer leidgeprüften Krankenschwester Schritt für Schritt den Ablauf einer Narkose durchzukauen. Ich habe pochende Kopfschmerzen und bin fest entschlossen, mich niemals beim Schönheitschirurgen unters Messer zu legen. Ich habe Gerichtsverfahren erlebt, die sich mit einer derart majestätischen Langsamkeit dahinschleppten, dass ich überzeugt war, sie würden niemals enden und ich würde meinen Nachfolger einarbeiten müssen, bevor ich in Rente ginge. Der Richter verkündet, wir würden heute früher Schluss machen, damit er die jüngsten schriftlichen Eingaben studieren kann. Aha. Er will also auch die neueste Promi-Zeitschrift nicht verpassen.
Im Presseraum klappe ich den Laptop auf und rufe meine Mails ab. Unter den Nachrichten von Kollegen mit wenig vielversprechenden Betreffzeilen wie
»Re:Fwd: Ich lach mich scheckig!!!!!?????«
entdecke ich eine von Ben Morgan.
Ich kriege Herzklopfen.
Dann reiße ich mich zusammen und öffne sie.
Hallo! War es am Samstag für dich okay? Tut mir leid, dass Simon eben ist wie … Simon. Ben.
Ich lese die Mail einige Male und schreibe dann:
Hallo! Es war sehr nett, danke für die Einladung. Woher hast du meine E-Mail-Adresse?
Die Antwort kommt schon in der nächsten Minute.
Hoffentlich bist du keine investigative Reporterin,
lautet der Betreff. In der Nachricht heißt es: …
sie steht unter jedem deiner Artikel in der Zeitung.
Ich muss lachen.
Au weia,
antworte ich.
Simon ist amüsant …!
Ben erwidert:
Wir wollten dich nicht verkuppeln. Tut mir leid, falls es so ausgesehen hat. Ein paar andere Leute haben abgesagt, und uns ist erst klargeworden, dass es missverstanden werden könnte, als es schon zu spät war.
Dem belauschten Gespräch nach zu urteilen bin ich sicher, dass das, wenn überhaupt, nur auf Ben zutrifft, nicht auf Olivia. Offenbar hat Simon Ben nicht verraten, dass wir ein Date haben. Nicht, dass ich selbst so richtig daran glaube.
Schon gut,
tippe ich.
Ich würde dich und Olivia dafür gerne zu meiner Wohnungseinweihung einladen.
Hä? Ich mache eine Einweihungsparty? Nett, dass mein Unterbewusstsein mir Bescheid sagt.
Ben antwortet:
Gerne! Sag einfach, wann und wo. Jetzt muss ich weitermalochen. B.
Ich verabschiede mich fröhlich und lese unseren Schriftwechsel noch einmal durch, bis ich von Gretton gestört werde. Seine Kleider riechen nach Zigarettenrauch.
Vor sich hin summend, blättert er einen Stapel Revolverblätter durch, um festzustellen, ob seine Berichte verwendet worden sind. Da er kein Redaktionsmitglied ist, setzen die meisten Zeitungen den Namen eines ihrer Leute oder einfach den Namen der Zeitung und das Wort »Reporter« darüber. Doch wenn seine Sachen gedruckt werden, bekommt er Geld dafür, und mehr interessiert ihn nicht.
»Du bist so quietschvergnügt«, stelle ich argwöhnisch fest.
»Quietsch, quietsch, quietsch, sagte die Quietscheente«, erwidert Gretton und tippt sich an die Nase.
»Was hast du denn geraucht, Pete?«
Er zieht den Sportteil aus seinem Zeitungsstapel, schlägt ihn mit einer theatralischen Geste auf und versteckt sich dahinter.
Simon schickt mir eine Mail, in der er mir die Details des Interviews mit Natalie Shale mitteilt. Im PS heißt es:
Lass uns was trinken gehen, wenn die Sache abgehakt ist. Dienst ist Dienst und so weiter.
Das bringt mich zum Schmunzeln. Simon ist klug genug, mich nicht zum Essen einzuladen, bevor die Sache klar ist. Klar ist? Er wird doch nicht etwa schon bei der ersten Verabredung mit nach Hause kommen wollen, oder? Das ist zwar recht unwahrscheinlich, aber ich bin schon so lange aus dem Geschäft, dass sich die Regeln inzwischen geändert haben könnten. Ich bin nicht einmal sicher, ob ein Date mit einem Menschen, bei dem ich mir nicht vorstellen kann, ihn mit nach Hause zu nehmen, überhaupt eine gute Idee ist. Aber Caroline findet, ich sollte es tun, und Caroline ist ein vernünftiger Mensch.
Zoe kommt herein und lässt ihre in Frischhaltefolie gewickelten Brote und ein Taschenbuch auf den Tisch fallen.
»Zoe«, sage ich, »kannst du dich am Freitag allein um diese Kunstfehlersache kümmern? Ich habe den Großteil der Hintergrundrecherchen erledigt. Wenn ein Urteil gesprochen wird, maile
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