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Wir in drei Worten

Wir in drei Worten

Titel: Wir in drei Worten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mhairi McFarlane
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ich dir alles.«
    »Kein Problem«, antwortet sie. »Ich gebe in der Nachrichtenredaktion Bescheid, doch ich bin sicher, dass die nichts dagegen haben. Ist es wegen des Interviews?«
    »Genau.«
    »Sehr gut. Braucht jemand etwas aus dem Café?«
    Ich schüttle den Kopf.
    Gretton blickt Zoe nach. »Hast du denn gar keinen Stolz, Woodford?«
    »Hä?«
    »Die klaut anderen die Story, ohne mit der Wimper zu zucken. Erwarte bloß nicht, dass dein Name jetzt noch über dem Artikel steht.«
    »Hast du jemals einem anderen Menschen vertraut, ohne enttäuscht worden zu sein, Pete?«
    Nachdenklich schmatzt er mit feuchten Lippen. »Da müsste ich lügen.«
    »Das ist doch recht aufschlussreich, findest du nicht?«
    »Angesichts dessen, dass ich zehn Jahre älter bin als du, sollte es aufschlussreich für dich sein.«
    »Zehn? Mindestens fünfzehn!«

[home]
    33
    N atalie Shale wohnt in einer Doppelhaushälfte aus der Vorkriegszeit, aus Backstein erbaut und mit einem Panoramafenster, wie man sie in den Vororten von Manchester häufig findet. Als ich läute, höre ich drinnen eine blecherne Melodie von den Wänden widerhallen. Ich trete von einem Fuß auf den anderen und frage mich, ob mich die Nachbarn durch die Gardinen beobachten. Natalie macht auf, und wieder einmal muss ich feststellen, wie hinreißend sie aussieht – selbst in ihrem muttertauglichen Alltags-Outfit, bestehend aus Jogginghose und ärmellosem T-Shirt.
    »Rachel?«, erkundigt sie sich argwöhnisch, als hätten sich hier heute Morgen schon die falschen Rachel Woodfords die Klinke in die Hand gegeben.
    Kurz habe ich ein Bild von Gretton mit dunkler Perücke vor Augen, dessen behaarte Beine unter einem zu engen Rock hervorlugen. Igittigitt.
    »Das bin ich. Simon hat das vereinbart … Ich danke Ihnen sehr, dass Sie mit diesem Interview einverstanden sind.«
    »Ja, schon gut, kommen Sie rein.«
    Ich folge ihr ins Wohnzimmer, nehme auf dem Sofa Platz und hole den Notizblock heraus, wobei ich sehe, dass Natalie ein Diktiergerät auf den Couchtisch gestellt hat.
    »Möchten Sie das Gespräch nicht auch aufnehmen?«, fragt sie, als sie meinen Blick bemerkt.
    »Nein, ich stenografiere lieber. Ich traue diesen Kassettenrecordern nicht.«
    »Oh.« Verdattert beäugt sie das Gerät, als könnte es sie beißen. »Simon wollte, dass ich es aufnehme, tut mir leid.«
    Warum wundert mich das nicht?
    »Klar«, erwidere ich.
    Natalie scheint erleichtert, dass es deswegen keine Diskussion gibt.
    »Der Fotograf kommt um zwei«, erinnere ich sie. »Ist das in Ordnung?«
    »Ja.« Sie lächelt. »Keine Sorge, bis dahin habe ich mich umgezogen. Tee?«
    »Danke. Milch, kein Zucker.«
    Während der Kessel laut pfeifend zu kochen beginnt, schaue ich mich in Natalies Wohnzimmer um und präge mir ein paar Details ein, die dem Artikel Farbe geben sollen. Ich könnte mir auch Notizen machen, aber es erscheint mir unhöflich, Dinge über ihr Haus aufzuschreiben, während sie die Tetley’s-Teebeutel ins heiße Wasser tunkt. Auf fast allen verfügbaren Flächen stehen Fotos von ihren Töchtern. Gut, wenn ich zwei so hübsche Kinder wie ihre Zwillinge hervorgebracht hätte, wäre ich vielleicht auch versucht, mit ihnen anzugeben. Die Fotos aus jünster Zeit zeigen sie in Latzhosen von OshKosh und mit zu Afro-Büscheln hochgebundenen Haaren. Auf den meisten Bildern lachen sie. In ihren offenen Mündern sind niedliche Milchzahnstifte zu sehen. Ein gewaltiger Bilderrahmen von der Größe eines Fußballfelds über dem Kamin zeigt Natalie und die Mädchen in einer Formation, als säßen sie, die Hände auf die Schulter der Vorderfrau gelegt, in einem Kanu.
    Es ist das typische Studioporträt, auf dem alle barfuß und in Levi’s sind und sich solche Mühe geben, die glückliche Familie zu mimen, dass es mich eher an die dysfunktionale amerikanische Version erinnert, in der der ein wenig sonderliche Milchbubi von einem Sohn irgendwann alle in die Garage treibt und mit der Schrotflinte niedermäht.
    Im Fernseher läuft leise eine aus den USA importierte Seifenoper mit der üblichen überbelichteten Studioatmosphäre. Der Raum strahlt Ruhe und Zufriedenheit aus. Niemand würde vermuten, was für traumatische Erlebnisse die Bewohner dieses Hauses durchgemacht haben.
    »Hoffentlich ist er nicht zu schwach«, meint Natalie, die mit einer Tasse zurückkommt. »Lucas sagt immer, mein Tee schmeckt wie Ovomaltine. Babytee nennt er es.«
    Als sie mir die Tasse reicht, stelle ich fest, dass »Bester Dad der

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