Wir in drei Worten
wie ein Hund, dessen Krallen gestutzt werden müssen.
»Guten Abend. Du siehst phantastisch aus. Wollen wir?«, begrüßt er mich.
Ich sehe nicht annähernd so frisch gebügelt, entspannt und nach erstem Date aus wie er: weißes Hemd und eine Hose, die als Chino durchgehen könnte. Doch ich weiß seine Bemühungen zu schätzen und willige ein.
Man geleitet uns im Wartebereich zu einem Sofa neben einer gewaltigen Topfpalme. Das Restaurant hallt von Gläserklirren, dem Klappern von Besteck auf Porzellan und Stimmengewirr wider. Schwarzgekleidete Kellner huschen demonstrativ diensteifrig umher. Hier verbringt der Rest der Menschheit also seinen Samstagabend, nicht im Bett mit einem Taschenbuch, drei für den Preis von zwei, während der Partner die Sportschau glotzt.
Als man Simon die Weinkarte überreicht, blättert er routiniert die Seiten aus falschem Pergament durch. »Wie gut kennst du Ben eigentlich?«, fragt er dann.
Nicht auch noch Simon.
»Was meinst du?«
»Wart ihr mal zusammen oder so?«
»Nein, nur gute Freunde. Warum?«
»Das hat er auch gesagt. Und trotzdem habe ich mir eine Gardinenpredigt eingefangen, ich solle ja auf dich aufpassen, bla, bla, bla … Als ob ich der böse Wolf wäre, der in dein Körbchen will.«
Das rührt und überrascht mich. Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen. »Er hat eine kleine Schwester. Der Beschützerinstinkt großer Brüder erstreckt sich oft auch auf weibliche Freunde.«
»Also warst du nie mit ihm in der Kiste?«
»Was?«
So eine Frage würde kein anderer beim ersten Date stellen. Wenn ich eine Figur aus einem Kinder-Comic wäre, hätte Rachel einen kreisrunden Mund und über ihr würde eine Denkblase schweben, in der drei Fragezeichen stehen.
»Du hast unseren Benji nie flachgelegt?«
Er nimmt mich so frech ins Verhör, dass mein Schock von Gelächter abgelöst wird. »Schau mich an, schau Ben an, schau Olivia an. Siehst du da irgendeine Chance?«
Der Kellner verkündet, unser Tisch sei jetzt frei.
Simon steht auf und schließt einen Knopf an seinem Sakko, als würden wir zur Preisverleihung aufs Podium gebeten. Die Weinkarte hat er wie ein Klemmbrett unter dem Arm. »Nach dir.«
Nachdem man uns die Speisekarten gebracht hat, beuge ich mich über den Tisch. »Nein«, zische ich. »Wie kannst du nur so was fragen? Er ist doch dein Freund. Warum fragst du nicht ihn selbst?«
»Man sollte die beteiligten Parteien stets getrennt vernehmen.«
»Ach, natürlich. Vielleicht möchtest du dieses Gespräch ja in eine Gefängniszelle in der Bootle Street verlegen.«
»Die Beleuchtung dort ist ein echter Stimmungskiller.« Simon grinst. »Ich habe einfach nur eine Schwäche für klare Verhältnisse.«
»Das ist mir schon aufgefallen.«
»Offen gestanden …«, Simon macht ein verlegenes Gesicht, eine ganz neue Erfahrung, »… war die letzte Frau, für die ich mich interessiert habe, verheiratet. Also bin ich vorsichtig, was Komplikationen angeht, um es einmal so auszudrücken.«
»Was ist passiert?«
Er tut, als hätte er mich nicht gehört, und pflückt einen imaginären Fussel vom Ärmel. »Ich wollte eigentlich nicht so weit ins Detail gehen, bevor wir den Wein bestellt haben.«
»Nur zu. Ich kenne mich mit den modernen Dating-Regeln sowieso nicht aus.«
»Ich war vernarrt in sie. Sie entpuppte sich als verheiratet. Ihr Mann kam dahinter. Sie ist bei ihm geblieben. Ende der Geschichte.«
»Hiermit schwöre ich, dass ich nicht verheiratet bin.«
»Das ist mir bekannt. Sonst noch irgendwelche grausigen Geheimnisse, die du dir von der Seele reden willst?«
»Nur, dass ich mich überhaupt nicht mit Wein auskenne.«
»Darf ich?«, erwidert Simon, wieder in seinem Element. »Was nimmst du als Hauptgericht? Fleisch oder Fisch? Du bist doch keine militante Spaßbremse, oder?«
»Militante Spaßbremse?«
»Vegetarierin, Fischschützerin, Menschenrechtlerin oder was es sonst noch für Beschönigungen für Spaßintoleranz gibt.«
»Ich esse nichts, was ein Gesicht hat«, antworte ich in gespielter Empörung.
»Ach, kein Problem. Ich bestelle nur Sachen, bei denen das Gesicht vorher entfernt worden ist.«
Ich hatte befürchtet, das Geplänkel mit Simon könnte bei einem Date schwierig werden. Doch die Sorge war überflüssig. Er hält das Gespräch in Gang, indem er mir höfliche Fragen stellt, von seinen schrägsten Mandanten erzählt und ich ihm von meinen schrägsten Prozessen erzähle. Wir lästern über Anwälte und Richter, die wir
Weitere Kostenlose Bücher