Wir in drei Worten
Simon den Rest seines Wodkas hinunter. »Du bist niedlich, und ihr beide scheint euch irgendwie zu mögen.«
»Wie ich schon sagte: dreizehn Jahre. Ich war nicht single«, erwidere ich.
»Das ist für manche Leute kein Hinderungsgrund.«
»Bist du auf Büroklatsch aus?«
Simon lacht auf. »Herrje, die Mädels in der Kanzlei himmeln ihn an, dass einem schlecht werden kann.«
»Ja, das klingt nach dem Ben-Effekt.« Ich lache und klinge hoffentlich vergnügt dabei. »Warum wolltest du mit mir ausgehen?«, wechsle ich das Thema und bereue die Frage sogleich. »Ich meine, ich hätte nicht gedacht, dass ich dein Typ bin.«
»Und wie sieht mein Typ deiner Ansicht nach aus?«
»Äh. Wie Zara Phillips? Eine Frau, die auf Pferde und auf schmutzige Sachen steht und die man trotzdem seiner Mummy vorstellen kann.«
Simon kriegt einen Lachanfall. »Offenbar hältst du mich für einen überkandidelten Lackaffen. Steck deine Mitmenschen nicht so schnell in Schubladen.«
»Ha, als ob du das umgekehrt nicht auch getan hättest.«
»Ganz und gar nicht. Ich mag es, wenn jemand ein Geheimnis hat.« Simon rollt das leere Glas zwischen den Handflächen.
»Und ich habe ein Geheimnis?«
»Oh, ja. Da gibt es eindeutig etwas, das du mir verschweigst.«
Ausnahmsweise fällt mir keine schlagfertige Antwort ein.
Nach zwei Drinks in der Kaschemme gerät die Umgebung allmählich in eine Schieflage. Ich möchte nicht die Kontrolle über mich verlieren, und von Simon kommt kein Widerspruch, als ich vorschlage aufzubrechen.
Er besteht darauf, mich nach Hause zu begleiten, und fügt hinzu, er könne genauso gut dort ein Taxi anhalten, nur für den Fall, dass ich ihm Hintergedanken unterstelle.
Ich mag die Stadt bei Nacht, die laute Musik und die Lichtstrahlen, die aus den Lokalen auf die Straße dringen, die Horden buntgekleideter Nachtschwärmer, die hupenden Taxis und den leckeren fettigen Geruch von Fleisch und Zwiebeln aus den Imbisswagen. Wir gehen schnell und umrunden die Menschengruppen, die uns immer wieder den Weg versperren, bis wir im Zeitraffer, wie es mir in meinem alkoholisierten Zustand erscheint, vor meinem Haus stehen. Der Hinweg ist mir dreimal so lang vorgekommen.
»Gute Nacht. Vielen Dank für den wunderschönen Abend«, sage ich, wobei ich zu meiner Überraschung feststelle, dass ich offenbar nicht genug getrunken habe, um meine Verlegenheit zu betäuben. Verdammte Frischluft.
»Komm her«, erwidert Simon leise und zieht mich an sich.
Ich denke noch, wie typisch Simon es ist, Befehle anstelle von Koseworten von sich zu geben.
Er küsst so, wie ich es vorhergesehen hätte, hätte ich mir im Vorfeld Gedanken darüber gemacht: hart und beinahe fordernd, so als würde einer von uns zum Sieger erklärt, wenn wir uns wieder voneinander lösen. Obwohl es nicht unangenehm ist, beschließe ich, dass ein Zungenkuss nicht drin ist, und weiche zurück. Ich hätte erwartet, dass sich der erste Kuss nach Rhys anfühlen würde wie ein Dammbruch. Doch es ist eher – wie soll ich es ausdrücken? – prosaisch. So, als hätte es die dreizehn Jahre dazwischen nie gegeben.
»Wie lautet das Urteil, meine süße Gerichtsreporterin? Kann ich dich wiedersehen?«, fragt er leise und ganz offensichtlich anzüglich.
Ich fühle mich geschmeichelt und bin betrunken. Und erstaunlicherweise auch ratlos. Einerseits würde ich gerne ja sagen, doch eigentlich weiß ich, dass es nicht das ist, was ich will. Es ist einfach nur das, was gerade verfügbar ist.
»Äh … Simon.«
»Äh … Simon«, äfft er mich, ein wenig lauter, nach. »Oh, oh.«
»Es war wirklich sehr schön. Sogar noch schöner, als ich dachte.«
»Ob das ein Kompliment ist, hängt wohl davon ab, was man sich erwartet hat, oder?«
Ich frage mich, ob der schlagfertige und wortgewandte Simon wohl auch einmal Pause macht. Wahrscheinlich hat er diese Fähigkeit in seinen täglichen Schlachten mit den Angehörigen der Staatsanwaltschaft geschult.
»Nach Rhys und so ist es ein bisschen früh für mich. Können wir erst mal Freunde bleiben? Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht, und es wäre nicht fair, jemanden damit zu belasten.«
»Gut. Nun, natürlich wäre es mir lieber gewesen, wenn wir gleich Nägel mit Köpfen gemacht hätten, aber wie du meinst.«
Ich lache und bin erleichtert, dass ich intime Beziehungen mit einem Mann vermieden habe, der in diesem Zusammenhang von Nägeln mit Köpfen spricht. »Danke.«
Eine Pause.
»Gute Nacht also«, sage ich
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