Wir in drei Worten
beide kennen. Als er über aufdringliche und nervtötende Reporter jammert, räche ich mich mit einem Lamento über arrogante und heimlichtuerische Anwälte.
Er scheint aufrichtig interessiert und belustigt, und nach einer Weile bemerke ich, wie es mir gefällt, dass mir jemand zuhört. Seine Aufmerksamkeit wirkt ein wenig berauschend, wenn auch nicht so berauschend wie der schwere Rotwein, den er ausgesucht hat.
Rhys würde brummelnd am Tisch sitzen, immer wieder zur Tür schauen, mit dem Fuß auf den Boden klopfen und auf jedes meiner Worte mit Ungeduld reagieren. Abgesehen von den Übungssessions mit der Band bewegte er sich am liebsten nach einem festen Muster zwischen den Spitzen eines Dreiecks hin und her – Zuhause, Job, Pub. Jede Abweichung davon löste bei ihm Unruhe, ja, beinahe Abwehr aus.
Obwohl mir dieser Kontrast durchaus gefällt, wird mir allmählich klar, dass Rhys zwar ein kantiges Urgestein war, Simon jedoch nur aus glattpolierten Flächen besteht. Da ist nichts, in das man einen Enterhaken bohren könnte, um ihn tatsächlich ein bisschen besser kennenzulernen. Seine Fassade beginnt erst dann unerwarteterweise zu bröckeln, als ich einen seiner Kollegen erwähne, der alle Frauen im Krongericht zum Schwärmen bringt.
»Wirklich?«, herrscht Simon mich an, als ob das völlig abwegig wäre, und wechselt prompt das Thema.
Ich überlege, ob er wohl zur Eifersucht neigt.
Das Gespräch wendet sich einem Paar in Simons Kanzlei zu, das in derselben Abteilung arbeitet, weshalb die Kollegen ständig in ihre häuslichen Dispute hineingezogen werden.
»Ich fand es noch nie eine gute Idee, wenn beide Partner in derselben Branche arbeiten. Zu viel Fachgesimpel und Rivalität.«
»Bei Ben und Olivia scheint es doch zu klappen«, wende ich ein.
»Die haben auch ihre Momente.«
»Ja?« Ich bin nicht ganz sicher, was er damit meint, versuche jedoch, mir meine Neugier nicht anmerken zu lassen.
Simon schenkt den letzten Rest Wein ein. »Liv hat die Hosen an, daran besteht kein Zweifel. Ich glaube, mit dem Umzug hierher hat Ben sich zum ersten Mal durchgesetzt, und sie muss sich noch daran gewöhnen. Ich habe ihn davor gewarnt, eine Frau zu heiraten, die mehr Geld hat als er. Dann glaubt sie nämlich, dass sie in der Ehe das Sagen hat. Und siehe da …«
»Verdient Olivia so viel mehr?«
»Es ist nicht das Geld, das sie verdient, sondern das Geld der Familie. Ihr Dad hat mit etwa vierzig seine Spedition verkauft und sich zur Ruhe gesetzt. Olivia bräuchte gar nicht zu arbeiten.«
Ach, herrje, so von der Natur bevorzugt und dazu auch noch reich.
»Vielleicht liebt sie ihre Unabhängigkeit«, sage ich.
»Oh, ja. Versteh mich nicht falsch. Ist eine gute Sache, wenn tolle Weiber die gläserne Decke durchbrechen.«
»Du meinst das hoffentlich ironisch, oder?«
»Ich bin nur insoweit ein Sexist, als ich die weibliche Bevölkerung für den Erfolg von James Blunt verantwortlich mache. Absacker?«, fragt Simon, während er die Kellnerin heranwinkt, damit sie die Rechnung bringt.
»Ich würde das gerne übernehmen«, verkünde ich entschlossen und weise auf die Rechnung.
»Gut zu wissen.«
Nach kurzer Abschätzung der Machtverhältnisse überreicht die Kellnerin Simon die Rechnung auf einer Untertasse. Er legt seine Kreditkarte darauf und gibt sie zurück.
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A ls Simon meinte, er kenne da ein Lokal, stellte ich mir einen plüschigen Herrenclub mit Ohrensesseln, einer weinrot gestreiften Tapete im Regency Style und knisterndem Kaminfeuer vor. Simon würde seinen Mitgliedsausweis vorzeigen oder mit dem livrierten Portier einen geheimen Händedruck austauschen, und dann würden sich für uns die Türen öffnen.
Stattdessen gehen wir eine düstere Seitengasse hinunter zu einer finsteren Kaschemme für Gewohnheitstrinker, die eine Kneipe mit verlängerter Ausschanklizenz erschnuppern können wie die Zeichentrickkinder die Fertigsuppe aus der Bisto-Werbung.
»Vorsicht, Kotze«, verkündet Simon in dem Tonfall, in dem U-Bahn-Fahrer vor der Spalte zwischen Waggon und Bahnsteigkante warnen.
Er nimmt mich am Ellbogen und führt mich um eine papierkorbgroße Pfütze Erbrochenes direkt am Eingang. Die Fassade des Ladens wird nur von einer weißen Neonreklame erhellt, die für Bier wirbt. Daneben bemerke ich eine Ansammlung verdächtiger Gestalten, die uns instinktiv den Rücken zukehren, nur für den Fall, dass wir sie anhand der Verbrecherkartei identifizieren könnten.
»Du weißt wirklich, wie man
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