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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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schnibbeln.«
    »In dem Fall war es zwar völlig absurd , aber das interessiert die Schweizer Polizei anscheinend nicht. Heinz-Bernd ist ja direkt hinter Roghmann gegangen , und sie hatten die Seilschaft kurz vorher aufgelöst. Theoretisch hätte Heinz-Bernd ihn auch stoßen können oder selber stolpern und unglücklich gegen Roghmann fallen. Dann wäre es fahrlässige Tötung gewesen oder eben ein Unfall. Diese Unterschiede spielen wohl eine Rolle für die Versicherungen. Jedenfalls , daß ein kerngesunder Mann , noch dazu ein erfahrener Bergsteiger , einfach so ohne Grund abstürzt , an einer Stelle , die kein bißchen gefährlich ist , das hat sie natürlich stutzig gemacht. Kann man aus deren Sicht ja auch irgendwie verstehen.«
    »Ich hab’ voriges Jahr auf der Großtour ein paarmal gedacht , daß Roghmann nicht mehr hundert Prozent trittsicher geht , verglichen mit früher.«
    »So wie Heinz-Bernd erzählt , muß es an einem Abschnitt gewesen sein , der wirklich harmlos ist , außer daß der Fels eben zur einen Seite zweihundert Meter abfällt.«
    »Er sah bestimmt schlimm aus.«
    »Erstaunlicherweise ist er wohl so aufgeschlagen , daß er keine sichtbaren Verletzungen hatte. Also äußerlich unversehrt. Da haben sich auch alle gewundert. Und er hat gelächelt. Das heißt , er muß tot gewesen sein , bevor er überhaupt gemerkt hat , daß er fällt. Heinz-Bernd und Lohfing sagten beide , daß sein Gesicht tiefen Frieden ausgestrahlt hat …«
    »Haben sie ihn sich noch mal angeschaut?«
    »Die sind hingefahren , mit Adelgundis und Pankratia. Lohfing wollte auch noch die Totengebete sprechen.«
    »Aber es war auf dem Abstieg , oder? Die Montblanc-Besteigung selbst – das hat geklappt?«
    »Das hat geklappt.«
    »Unfaßbar.«
    »Wenn ein Mensch , zumal ein Priester , auf diese Art sterben darf , und das an so einem Punkt seines Lebens … Das ist schon ein wirkliches Gnadengeschenk. Und der Aufstieg muß phantastisch gewesen sein , genau wie man sich das immer wünscht: freie Sicht in alle Himmelsrichtungen , fast kein Wind , selbst oben auf dem Gipfel nicht. Sie hatten wohl auch einen Tag erwischt , an dem kaum Andrang war. Zum Teil herrscht am Montblanc inzwischen ja regelrecht Hochbetrieb … Japaner und Amerikaner vor allem.«
    »Zum Kotzen.«
    »Wobei er eine Vorahnung hatte … Also Roghmann. Daß er sterben würde.«
    »Woher weiß man das?«
    »Heinz-Bernd sagt , er hätte ihn noch nie so gelöst erlebt wie an diesem Morgen. Dabei aber ganz konzentriert und kraftvoll. Wie früher. Heinz-Bernd ist ja von Anfang an dabei gewesen. Ich glaube , er war als Quintaner zum ersten Mal in Lenza , 1969. Und ihm war auch aufgefallen , was wir schon festgestellt hatten , daß er zuletzt ziemlich unsicher gewesen ist. Bergsteigerisch gesehen. Aber da wohl gar nicht mehr , im Gegenteil.«
    »Das klingt nicht nach Todesahnung.«
    »Am Vorabend auf der Hütte müssen sie ein sehr tiefes Gespräch gehabt haben.«
    »Und Roghmann hat ihm verraten , daß er am nächsten Tag stirbt?«
    »Nicht direkt. Dann hätten sie die Tour sicher abgeblasen. Aber er hat wohl Dinge angedeutet , die sich im Nachhinein so verstehen lassen. Heinz-Bernd sagt , es wäre eine sehr besondere Atmosphäre gewesen , abends auf der Hütte: Sie hätten erst lange über das Bergsteigen als geistliche Übung geredet. Daß man den steilen und steinigen Weg nach oben wählt , gegen die eigene Bequemlichkeit und allen Gefahren zum Trotz , daß man dabei gleichzeitig seine Angst überwindet und lernt , was es heißt , das eigene Leben der Gnade Gottes zu überantworten. Und je älter man wird , desto mehr erkennt man auch , daß bedingungsloses Gottvertrauen der einzige Grund ist , auf dem man wirklich sicher gehen kann. Theoretisch ist das zwar ständig so , egal ob ich die Straße überquere oder – was weiß ich – in einen See springe …«
    »Gut , aber darüber hat er immer gesprochen , wenn er in Lenza war , auch in den Predigten.«
    »Der Ton war wohl ein anderer. Heinz-Bernd sagt , Roghmann wäre auf eine Weise beseelt gewesen , wie er sich immer vorgestellt hat , daß die Apostel es gewesen sind , als sie nach Pfingsten auf die Straße traten und zu den Leuten über den auferstandenen Herrn sprachen.«
    Carl läuft ein Schauer den Rücken hinunter.
    »Es ging dann auch lange um Kahlenbeck , um seine Arbeit als Präses. Heinz-Bernd sagt , für ihn hätte es geklungen , als würde Roghmann Bilanz über sein Leben als Priester und Internatsleiter

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