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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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denn vorgefallen , das dich in diesen besorgniserregenden Zustand versetzt hat?«
    »Ich weiß nicht , ob ich darüber reden will. Nachher posaunt Holzkamp es überall herum.«
    »Du glaubst , daß ich dich verrate? Das heißt , du gibst dem zarten Trieb unserer jungen Freundschaft von vorneherein keine Chance.«
    Das Wort › Trieb ‹ hat es ihm offenbar angetan.
    »Was weiß ich , worüber ihr redet?«
    »Mein Verhältnis…Oder besser: Meine diplomatischen Beziehungen zu Holzkamp sehen enger aus , als sie de facto sind. Im Grunde bilden wir eine , ich möchte sagen: Gesinnungsgemeinschaft. Weil wir in Sachen des Glaubens dieselben Überzeugungen teilen. Es gibt ja auch in Kahlenbeck nicht viele , die treu zu Christus und der Kirche stehen.«
    »Es wäre mir nur einfach lieber , wenn Holzkamp nichts über mich und meine Angelegenheiten erfährt.«
    »Ich versichere dir , Carl , daß nichts dergleichen geschehen wird , wenn du dich mir anvertraust.«
    Eine Welle Schwachheit schlägt über Carl zusammen , er gräbt sein Gesicht in die Hände , reibt sich die Augen , knetet Stirn und Schläfen. Seine Fingerkuppen fühlen sich rissig an.
    Er wüßte gern , was Kuffel von ihm will , weshalb er ihm sonderbares Zeug über Mädchen erzählt , warum er nicht geht , obwohl das Gespräch ständig ins Stocken gerät und es keinen Grund zu der Annahme gibt , daß seinerseits ein tiefergehendes Interesse an einer Fortsetzung bestünde. Offenkundig sind die Fische ein Vorwand gewesen , sonst stünde Kuffel nicht nach wie vor bei den Büchern , statt vor dem Aquarium zu hocken: »Die größeren bunten sind übrigens Macropodus opercularis , Paradiesfische , falls du sie kennst. Schwer zu bekommen.«
    »Darf ich mich setzen?«
    »Sicher. Bitte.«
    Ächzend wie ein Mann von achtzig läßt er sich in den abgesägten Sessel fallen. Den Rentnerhabitus hat er mit Holzkamp gemeinsam.
    »Und was sind die kleinen , die da am Boden herumwuseln?«
    »Panzerwelse.
    »Sehr hübsch.«
    »Eigentlich passen sie nicht dazu. Die Panzerwelse stammen aus Südamerika , aber Zebraschmerlen , die eine ähnliche Nische besetzen , gab es nirgends , außerdem hätten sie den Laich gefressen , wenn die Makropoden denn endlich mal dazu kommen , sich zu paaren. Ich will nämlich züchten. Da wird die Pflege im Grunde erst interessant.«
    Wenn Kuffel Panzerwelse nicht kennt , hat er überhaupt keine Ahnung von Aquaristik. Es wäre sinnlos , ihm etwas von seinen Forschungsreisen ins Amazonasgebiet zu erzählen.
    »Wie ich den Büchern in deinem Regal entnehme , bist du aber auch an den großen Themen interessiert – jedenfalls in dem Rahmen , wie die Literatur sie behandelt.«
    Carl weiß noch immer nicht , worauf Kuffel hinauswill. Sein Blick fällt auf den Brief , und ihm schießt Hitze in die Wangen. Er fragt sich , ob Kuffel den Brief gesehen hat , ob er irgendwelche Schlüsse hinsichtlich des Absenders oder des Inhalts geschlossen hat.
    »Wie jetzt?«
    »Neben dem Glauben , der die Antworten auf die Rätsel unserer Existenz weiß , und der Philosophie , deren vornehmliche Aufgabe darin besteht , ihm ein begriffliches Gerüst zur Verfügung zu stellen , versucht ja auch die Literatur etwas dazu beizutragen , nicht wahr.«
    »Ich lese halt.«
    » Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wer sind wir? Darum kreisen auch die Künste. Insofern können sie ein Anstoß sein , sich auf die Suche zu machen im Sinne einer Öffnung für das Wesentliche , selbst wenn sie aus sich selbst heraus nicht in der Lage sind , einen substantiellen Beitrag zur Lösung dieser Fragen zu leisten.«
    »Und die Liebe.«
    »Bitte?«
    » Kommen und gehen und wer sind wir? – Ist wichtig , schon klar. Aber letzten Endes dreht sich doch alles um die Liebe. Nach meiner Erfahrung geht es hauptsächlich darum.«
    Kuffel wippt mit dem Oberkörper vor und zurück , saugt Luft zwischen Lippen und Schneidezähnen ein , so daß ein langgezogener Pfeifton entsteht.
    »Die Liebe« , sagt er und macht eine lange Pause. » Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüßte und alle Erkenntnis hätte ; wenn ich alle Glaubenskraft hätte und damit Berge versetzen könnte , hätte aber die Liebe nicht , wäre ich nichts , wie der Apostel Paulus sagt. Sie ist ohne Zweifel das Größte und Wunderbarste , was Gott uns geschenkt hat. Aber ihre Zerrbilder sind zugleich die gefährlichsten Fallen , die der Teufel uns stellt. Ich möchte es so formulieren: Wenn es um die Liebe geht , liegen

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