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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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möchtest du mit jemandem reden.«
    »Bringt nichts.«
    »Oft hilft es , wenn man einfach darüber spricht.«
    »Ist zu spät. Alles zu spät.«
    Eging schaut vom Flur aus herein , sieht Carl , wie er eingesunken an seinem Schreibtisch sitzt , fragt: »Alles klar bei euch.«
    »Danke , Markus« , sagt Kuffel , »deine geschätzte Anwesenheit ist im Augenblick nicht vonnöten.«
    Carl läßt seine Stirn in die Handfläche fallen: »Mach die Tür zu. Von innen oder von außen , wie du willst , fühl dich frei. Das Aquarium ist hier vorne rechts. Aber wie gesagt: Ich bin in schlechter Verfassung.«
    Kuffel setzt vorsichtig einen ersten Schritt ins Zimmer , dreht sich um , schließt lautlos die Tür , durchquert Guntrams Teil , ohne nach rechts und links zu schauen , geht gesenkten Hauptes an Carl vorbei , steht da , sieht sich um , langsam und systematisch , ein wohlwollender Versicherungsgutachter , der seine Vorgaben hat , aber doch nicht gleichgültig gegenüber dem Schicksal des Geschädigten ist: »Beeindruckend , wie viele Sorten Tee du besitzt« , sagt er.
    »Soll ich welchen kochen?«
    »Danke. Für mich im Augenblick nicht.«
    »Lieber Kaffee? Unterm Tisch ist auch Schokolade.«
    Kuffel tritt an das Bücherregal , beugt sich vor , nimmt die Hände vom Bauch , legt sie auf den Rücken. Seine Füße stecken in Pantoffeln aus grobkariertem Wollstoff. Er schnuppert die Buchrücken ab , Bücher zur Vogelbestimmung , zur Fischkunde , Aquarienpflege , Expeditionsberichte von Sielmann und Hagenbeck , Goethes Faust in Leinen , dazu Gedichte von Trakl , Brecht , Rilke , Romane von Wilder , Böll , Jack London ; Das moderne Lexikon in zwanzig Bänden. Kuffel wittert wie ein Drogenhund.
    »Ist Kunstleder« , sagt Carl.
    »Die Fische spielen eine entscheidende Rolle in deinem Leben , nicht wahr?«
    »Kann sein. Ja.«
    Kuffel überlegt , wie er das Gespräch fortsetzen soll. Offensichtlich will er sich unterhalten , ganz gleich worüber , selbst wenn es gar nichts zu sagen gibt. Er wendet sich der Reproduktion von van Goghs Brücke in Arles , zu , die Carl gerahmt hat , sagt: »Ein großer Maler , Vincent van Gogh. Aber auch ein furchtbares Beispiel dafür , was passieren kann , wenn man versucht , sich den dunklen Mächten ohne Gottes Hilfe entgegenzustellen.«
    »Er ist halt verbrannt.«
    »So kann man es ausdrücken. Nichtsdestoweniger bleibt die entscheidende Frage , wie es dazu kommen konnte?«
    »Manche Menschen verbrennen einfach , weil das Feuer von innen zu groß wird , um es auszuhalten.«
    »Er ist der Verzweiflung anheimgefallen. Weil er Christus den Rücken gekehrt und statt dessen auf sich selber gesetzt hat. Die Folge solcher Selbstisolation ist das Feuer , das die von jedem DU abgetrennte Seele in der Hölle brennen läßt.«
    »Vielleicht muß das bei großen Künstlern so sein.«
    »Das glaube ich allerdings nicht. Zum Beispiel der Maler , der dieses schöne Mädchen mit dem Sonnenschirm geschaffen hat …«
    »Renoir.«
    »Er hatte eine ganz andere innere Verfaßtheit. Deshalb ist er imstande gewesen , Schönheit zum Ausdruck zu bringen , klar und rein. Ohne Wollust und ohne die diabolische Grundierung , die man bei van Gogh spürt.«
    Carl prüft aus den Augenwinkeln , ob Kuffel eine Ahnung hat , weshalb die Karte dort hängt , kommt zu dem Ergebnis , daß ihm weder Carls übertriebene Bereitschaft zum Nachholen aufgefallen ist , noch hat er Gerüchte aufgeschnappt.
    »Es ist ein Jammer , daß es diese Sorte Mädchen nicht mehr gibt.«
    Offenbar hat Kuffel sie noch nie in der Küche gesehen.
    »Was man heutzutage vorfindet , sind Weiber , die sich der Emanzipation verschrieben haben und herumkrakeelen. Oder sie sind dem Ausleben ihres Triebs ergeben. Die sexuelle Begierde verwüstet ihre Gesichter , bevor sie überhaupt erwachsen geworden sind.«
    »Aha?«
    »Ist dir schon einmal ein Mädchen begegnet , das diese Art Unverderbtheit hat?«
    Gestern hätte Carl › Ja ‹ gesagt , › ich kenne mindestens zwei. ‹
    Er nimmt das Feuerzeug vom Tisch , entzündet die Flamme , starrt sie an , bläst sie aus , entzündet sie neu , lächelt gequält , schaut zu Kuffel hinüber , weiß nicht , ob ihn das triefende Mitleid in dessen Augen tröstet oder nervt , sagt: »Die Fische sind da unten , unmittelbar vor dir.«
    Schweigen. In das Schweigen klingen langgezogene Stöhnlaute vom Tennisplatz herauf. Kuffel zieht eine Braue hoch , ein Anflug von Anzüglichkeit um die Mundwinkel , dann wieder Mitleid: »Was ist

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