Wir kommen von der Presse
schnurgeraden Plattenwegen und ein einziger junger Baum — das war alles.
»Kannst du was Ungewöhnliches entdecken?« fragte Klaus. »Ich seh’ nichts.«
Ute schüttelte den Kopf. »Bis jetzt noch nicht. Aber Herr Neubert muß was Bestimmtes gemeint haben.« Während sie noch immer beobachteten, kam durch den seitlichen Garten ein Mädchen auf sie zu, das etwa so alt wie Ute sein mochte. Es führte an einer Leine einen kleinen, langhaarigen Hund spazieren.
Klaus und Ute wunderten sich, daß der Hund so brav über die Plattenwege trippelte. Als ob er gut dressiert wäre und genau wüßte, daß er den Rasen nicht betreten durfte. Das Mädchen hingegen schritt unbekümmert über das Grün. Als der Hund sich am Ende eines Plattenweges ängstlich niederhockte, hob es ihn auf und trug ihn über den Rasen hinweg zum nächsten.
Da merkte es, daß Ute und Klaus sie beobachteten. »He! Was steht ihr da rum? Hier gibt’s nichts zu gaffen!« Empört machten die beiden dem Mädchen klar, daß sie weder herumständen noch gafften. Vielmehr seien sie von der Presse und wollten sich hier mal näher umsehen. Beispielsweise hätten sie gern gewußt, warum dieses Haarknäuel von Hund offenbar Angst habe, über den Rasen zu laufen.
»Ganz einfach«, antwortete das Mädchen lachend. »Weil’s ihm an seinen Pfoten weh tun würde. Wir haben nämlich keinen gewöhnlichen Rasen.«
»Was denn für einen?« fragte Klaus verwundert.
Das Mädchen warf stolz den Kopf in den Nacken. »Wir haben einen Kunstrasen! Da staunt ihr, was?« Immerhin hatte es nichts dagegen, daß die zwei von der Presse das eigenartige Rasenkunstwerk näher betrachteten. Tatsächlich! Der Boden war mit grünen Teppichen aus Kunststoff belegt, hart wie borstige, beinahe stachlige Fußmatten.
Das Mädchen, es war die Tochter des Architekten, erklärte ihnen, wie praktisch so ein Rasen sei. Nie brauche er gemäht zu werden, nie gegossen oder gedüngt, wie es die Nachbarn bei ihren lächerlichen altmodischen Wiesen dauernd tun müßten. Und immer sähe er gleich grün aus, im Sommer wie im Winter, bei Regen und bei Trockenheit.
»Hm, wirklich, das ist ganz schön clever ausgedacht«, gab Klaus zögernd zu. »Nur, ich weiß nicht so recht. Etwas komisch find’ ich’s doch.«
Auch Ute wußte nicht so genau, was sie dazu sagen sollte. Klar, wenn man sich auf so einem Kunstrasen herumwälzte, machte man sich bestimmt nicht dreckig. Aber konnte man sich überhaupt darauf legen? »Die Borsten stechen doch sicherlich«, meinte sie.
»Kommst du vom Mond?« Das Mädchen lachte. »Wozu gibt es Luftmatratzen? Darauf liegt man doch viel weicher und bequemer.«
»Das schon«, sagte Ute. »Aber ich liege gern so auf einer Wiese, ohne was drunter, einfach auf dem Bauch. Dann schau’ ich zu, wie die Marienkäfer an den Grashalmen rauf- und runterkrabbeln. Oder ich verfolge eine Ameise, mit den Augen natürlich. Oder ich reiss’ einen langen Grashalm aus und kau’ darauf herum. Das alles kann man auf eurer Wiese nicht.«
Doch darauf reagierte das Mädchen überhaupt nicht. Es zeigte vielmehr auf den einzigen Baum im Garten und erklärte voll Stolz: »Jetzt schaut euch aber mal unseren Apfelbaum an! So einen habt ihr bestimmt in eurem Leben noch nicht gesehen! Fällt euch nichts an ihm auf?« Nein, was sollte daran so besonders sein? Ute und Klaus meinten zunächst, er sähe wie jeder andere Baum aus. Allerdings, ganz genau wüßten sie bei Obstbäumen auch nicht Bescheid.
Nur eines fand Klaus nach einigem Überlegen merkwürdig. Er dachte an die blühenden Bäume in Herrn Neuberts Garten. »Wie kommt es«, fragte er das Mädchen, »daß an eurem Baum schon dicke Äpfel hängen? Anderswo blühen die Bäume um diese Zeit doch erst.« Das Mädchen nahm ihren Hund wieder auf den Arm und streichelte ihn. Dann sagte es geheimnisvoll: »Dabei ist der Baum erst vor ein paar Wochen gepflanzt worden.«
»Und trägt jetzt schon reife Äpfel?« fragte Klaus ungläubig. »Hör mal, du kannst dein lebendiges Plüschtier meinetwegen auf den Arm nehmen, aber uns nicht!«
»Ha, ha! Ihr seid auch drauf reingefallen!« rief die Tochter des Architekten übermütig. »Ihr habt es auch nicht gemerkt!«
»Was haben wir nicht gemerkt?« fragte Ute ärgerlich. »Daß das gar kein echter Baum ist! Daß der Baum aus Kunststoff ist! Aber die Äpfel daran kann man trotzdem essen«, erzählte das Mädchen munter. »Wir haben sie nämlich drangehängt. Und wenn wir sie abnehmen, dann hängen wir
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