Wir kommen von der Presse
und ab. »Über die ,Felizitas’ in der Zeitung zu schreiben«, murmelte er wie im Selbstgespräch vor sich hin, »das wär’ mal etwas ganz anderes. Da könnte man so richtig mit Begeisterung drangehen. Nur über Prominentengeburtstage berichten, über neueröffnete Kaufhäuser, verstopfte Straßen oder ob das Fußballstadion eine elektrische Bodenheizung kriegen soll oder nicht, das hängt einem auf die Dauer zum Hals raus.«
»Dann machen Sie also mit bei der ,Felizitas’?« fragte Ute hoffnungsvoll.
Herr Dorsch setzte sich wieder an den Schreibtisch. »Das kann ich nicht allein entscheiden. Ich muß es zuerst mit den anderen Redakteuren besprechen. Vor allem muß der Chefredakteur damit einverstanden sein.«
»Dann seh’ ich schwarz«, sagte Klaus. »Chefredakteure können ganz üble Miesmacher sein. Ich weiß das von meinem Bruder.«
Das Telefon klingelte. Herr Dorsch bekam anscheinend eine unerfreuliche Nachricht, denn seine Miene wurde zusehends ärgerlicher. Schließlich rief er unwirsch in den Hörer: »Das geht mir aber schwer gegen den Strich, Chef! Ist denn kein anderer da, der hingehen kann? — Aber ich hab’ doch heute bei der Redaktionsbesprechung schon gesagt, daß ich den Organisten interviewen wollte! — So, so, das andere wäre also wichtiger? Da bin ich aber ganz anderer Meinung.« Herr Dorsch zog einen Notizblock heran und schrieb etwas auf. »Natürlich bin ich enttäuscht«, sagte er dann. »Weil ich mich auf die Unterhaltung mit dem Organisten gefreut habe. — Also gut, dann geh’ ich eben zu dem Verein. Aber, Chef, dafür müssen Sie mir ein andermal eine Reportage nach meinem Wunsch genehmigen. Ich denke da gerade an eine ganz bestimmte. — Wie? Nein, dazu kann ich noch nichts sagen. Habe gerade erst einen Hinweis bekommen. — Von einem besonders netten Mädchen und einem sehr cleveren Jungen... äh, jungen Mann, wollte ich sagen. — Nein, mehr kann ich noch nicht verraten. Wiedersehen, Chef.«
Klaus und Ute strahlten. »Sie machen also mit?« fragte Klaus. »Herr Dorsch, Sie sind ‘ne Wucht!«
»Nicht so stürmisch, Klaus«, wehrte der Journalist lachend ab. »Zuerst will ich mich mit den Leuten von der Kolonie unterhalten. Vorher kann ich überhaupt nichts versprechen.«
Das mußten die beiden schweren Herzens einsehen. »Eines hätte ich gern noch gewußt«, sagte Ute. »Was für ein Verein ist denn das, von dem Sie vorhin am Telefon sprachen?«
»Ach, das sind Leute, die zu viel Geld haben. Und deshalb investieren sie einen Teil davon in Oldtimer — alte Autos, die noch ausgezeichnet in Schuß sind und ziemlich viel kosten, versteht ihr? Einmal im Jahr machen sie eine gemeinsame Ausfahrt mit anschließendem Fest. Und darüber soll ich einen Bericht schreiben.«
»Finde ich nicht sehr interessant«, meinte Ute. »Und was ist das für ein Organist, zu dem Sie wollten?«
Herr Dorsch lachte. »Mädchen, wer so neugierig ist wie du und so viele Fragen stellen kann, der wird bestimmt mal ein hervorragender Reporter!« sagte er. »Also, der Organist: Er heißt Achim Busch und ist noch ziemlich jung. Aber er soll schon ein Meister im Orgelspiel sein. Am Wochenende gibt er sein erstes Konzert in unserer Stadt. In der Marienkirche. Heute nachmittag probt er dort. Schade, ich hätte mir das gern angehört und mich nachher mit ihm unterhalten.«
»Und dann«, sagte Ute, »hätten Sie einen Artikel darüber geschrieben und sicherlich Reklame für das Konzert gemacht. Hören Sie gern Orgelmusik?«
»Sehr gern sogar. Aber leider muß ich ja zu dem Oldtimer-Verein. Ihr könnt mir einen Gefallen tun und mich ein wenig bedauern.«
Der Orgelspieler
Als sie einige Minuten später draußen vor dem Zeitungsgebäude auf dem Rand eines steinernen Blumenkübels saßen, schauten Ute und Klaus tatsächlich so aus, als ob sie jemanden bedauerten. Sie bedauerten allerdings weniger Herrn Dorsch, obwohl er sie darum gebeten hatte, als vielmehr sich selber. Denn sie konnten sich nicht einigen.
Ute hatte vorgeschlagen, gleich zur Marienkirche zu gehen, um den Organisten zu interviewen, gewissermaßen in Vertretung von Herrn Dorsch.
Aber Klaus sträubte sich dagegen. »Ich trau’ mir schon einiges zu«, sagte er. »Ich kann einen Architekten interviewen oder einen Schornsteinfeger oder einen Arzt im Krankenhaus. Aber einen Orgelspieler in der Kirche? Was sollen wir den fragen? Du kannst doch nicht einfach zu ihm sagen: Na, Herr Sowieso, macht Ihnen das Orgelspielen auch Spaß? Nee,
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