Wir kommen von der Presse
Fröhlichkeit der hohen Töne nachmachten, wie sie immer mächtiger wurden, daß es wie ein Jubel durch die hohe Kirche schallte.
Ich glaube, ein wenig kann ich jetzt verstehen, was die Töne erzählen wollen, dachte Klaus.
Plötzlich wurde er unsanft aus seinen Gedanken gerissen. »Was habt ihr hier zu suchen? Und wie kommt ihr überhaupt hier herein?« fragte jemand mit leiser, aber energischer Stimme.
Es war bestimmt der Küster.
Ute sah sich hilfesuchend nach dem kleinen Jungen, seinem Sohn, um. Er war nirgends zu sehen. Sie wollte den Kleinen natürlich nicht verpetzen und erwiderte deshalb: »Och, wir sind schon eine ganze Weile hier.« Klaus zeigte schnell auf sein Presseschildchen. »Wir kommen nämlich von der Zeitung. Sie brauchen keine Sorge zu haben, daß wir hier etwas kaputtmachen. Wenn Sie uns nicht glauben, können Sie bei der allgemeinen Tageszeitung’ anrufen, und zwar beim Redakteur Dorsch. Kennen Sie den vielleicht?«
Der Küster schaute nicht mehr ganz so streng aus wie vorhin. »Ob ich das glauben soll, weiß ich nicht. Aber ich muß zugeben: Ihr seht nicht danach aus, als wolltet ihr Dummheiten machen. Trotzdem müßt ihr jetzt raus. Ich kann es nicht dulden, daß sich jemand unerlaubt hier bei der Probe einschleicht.« Er drängte sie aus der Kirchenbank hinaus und auf die Tür zu. Dabei murmelte er: »Diese Zeitungsleute sind doch gewieft... Irgendwie schaffen sie es sogar, durch verschlossene Türen zu kommen.«
Während der Diskussion mit dem Küster hatte die Orgel die ganze Zeit weitergespielt. Jetzt aber, als dieser den großen Kirchentorschlüssel zur Hand nahm, brach das Spiel plötzlich ab. Kurz darauf hörte man von der Orgelempore aus die Stimme des kleinen Jungen: »Hallo, ihr da unten! Ihr sollt mal raufkommen!«
Ein paar Augenblicke später standen Ute und Klaus neben der gewaltigen Orgel. Der Sohn des Küsters hatte dem Organisten von den beiden erzählt und ihn neugierig gemacht. Und der Küster mußte klein beigeben und den Schlüssel kopfschüttelnd wieder einstecken.
»Guten Tag, wir kommen von der Presse und möchten mal was fragen«, sagte Ute zu dem jungen Organisten, der hemdsärmlig auf der Orgelbank saß und die beiden Reporter amüsiert anschaute.
»Ich hab’ zwar schon ein paarmal mit Leuten von der Zeitung zu tun gehabt«, sagte der Organist. »Aber die waren alle einige Köpfe größer. Ich wundere mich, daß ihr euch für Orgelmusik interessiert.«
»Als richtiger Reporter muß man sich für alles interessieren«, erwiderte Ute und schaltete ihren Recorder ein. »Na, dann schießt mal los«, meinte der Organist schmunzelnd.
Doch bevor Ute den Mund aufmachen konnte, rief Klaus begeistert: »Erst muß ich mal was sagen. Also: die Orgelmusik vorhin war ganz große Klasse! Ich hätte noch mindestens ‘ne Stunde zuhören können. Ehrlich!«
»Das freut mich«, sagte Achim Busch, der Organist. »Du spielst sicherlich auch ein Instrument, nicht?«
»Ja, Mundharmonika«, antwortete Klaus. »Allerdings nicht besonders gut. Eigentlich kann ich nur zwei Lieder: ,Guter Mond, du gehst so stille’ und ,Ist ein Mann in’ Brunn’ gefall’n’. Aber ich hab’ schon ewig nicht mehr gespielt.«
Endlich kam Ute auch zu Wort: »Spielen Sie eigentlich immer nur Orgel, oder machen Sie auch noch was anderes?« fragte sie.
Daraufhin erzählte der Musiker ihnen ein wenig von seinem Beruf: daß er in einer rheinischen Großstadt in einer Kirche zu den Gottesdiensten die Orgel spiele, daß er aber auch zwei Chöre dirigiere, nämlich einen Kinderchor und einen für Erwachsene, daß er außerdem ein kleines Orchester leite und Musik unterrichte. »Und manchmal gebe ich auch Orgelkonzerte«, fügte Achim Busch hinzu. »Diesmal sogar hier. Und das ist für mich etwas Besonderes, denn dies ist meine Heimatstadt.«
»Oh, das wird unsere Leser außerordentlich interessieren«, sagte Ute.
»Ja«, meinte auch Klaus. »Wenn das in der Zeitung steht, werden bestimmt viele Leute kommen. Aber sagen Sie mal: Für so ein Konzert müssen Sie doch bestimmt viel üben. Oder?«
Achim Busch lachte. »Und ob! Heute hab’ ich mindestens schon vier Stunden geübt. Und ich bin noch lange nicht mit mir zufrieden.«
»Vier Stunden?« Ute staunte. »Das ist ja irre lang! Wann sind Sie denn zufrieden?«
»Richtig zufrieden bin ich erst nach dem Konzert, wenn es gut gelaufen ist und den Zuhörern gefallen hat«, antwortete er.
Seltsam, daß Ute gerade jetzt an einige der Leute denken
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