Wir kommen von der Presse
»Du Angeber!« schrie er dem großen Bruder ins Gesicht. »Bild dir bloß nicht so viel auf dein Käsblatt ein!«
Olaf schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wie, bitte? Käsblatt? Wag das ja nicht noch einmal zu sagen! Und so einer will bei mir Bildreporter werden! Ich werde dir vorläufig was husten, Kleiner. Bis dahin kannst du dein Glück ja mal bei einer anderen Zeitung versuchen.«
»Tu ich auch!« gab Klaus wie aus der Pistole geschossen zurück. »Ich geh’ zur ,Allgemeinen Tageszeitung’. Und zwar gleich morgen!«
Olaf war über die Antwort so verblüfft, daß er seinen Bruder sprachlos anstarrte und nur den Kopf schüttelte. Natürlich glaubte er ihm kein Wort.
So forsch, wie er sich Olaf gegenüber benommen hatte, war Klaus am nächsten Tag allerdings nicht zumute, als er mit Ute in die Innenstadt ging. Je näher sie dem vielstöckigen Gebäude der »Allgemeinen Tageszeitung« kamen, um so kleinlauter wurde er innerlich.
Bisher hatten sie bei ihren Interviews mit den meisten Leuten Glück gehabt. Man war auf ihre Fragen eingegangen, hatte sie auch einigermaßen ernst genommen. Heute aber wollten sie zu einem Mann vom Fach! Wenn der sie nun auslachte? Vielleicht würde er sie sogar rausschmeißen und sagen, für derartige Kindereien habe er überhaupt keine Zeit.
Selbstverständlich erzählte Klaus Ute nichts von seinen Bedenken. Denn sie wirkte so selbstsicher, daß er seinen Bammel nicht zugeben konnte. Ich muß einfach den starken Mann markieren, sagte er sich und ließ sich nichts anmerken.
In der Eingangshalle des Zeitungsgebäudes sahen sie ein großes Schild, »Anmeldung« stand darauf. Dort saß hinter einem Schalter eine Dame und tippte auf einer Schreibmaschine.
»Wir möchten Herrn Dorsch sprechen«, sagte Klaus. »In welcher Angelegenheit?« wollte die Dame wissen. Klaus und Ute sahen einander fragend an. »In einer wichtigen Angelegenheit«, erwiderte Klaus schließlich mit vernehmlicher Stimme.
Die Dame blickte die beiden prüfend an. Dann griff sie zum Telefon. »Hier Anmeldung. Herr Dorsch, hier sind zwei Kinder, die Sie sprechen möchten. Es scheint ungemein wichtig zu sein.« Dabei lachte sie etwas spöttisch. »Sind anscheinend kleine Kollegen von Ihnen. — Wie ich darauf komme? Sie haben Kamera und Recorder umhängen und Presseschilder angesteckt. Gut, ich schicke sie zu Ihnen.« Sie zeigte in die Halle hinein. »Die Treppe da drüben hoch, dann den Gang links, Zimmer 105.« Sie wandte sich wieder ihrer Schreibmaschine zu.
Nach einigen Schritten flüsterte Ute: »Junge, Junge, war die hochnäsig.«
Dagegen war Herr Dorsch die Freundlichkeit in Person. Er stand bereits in der Tür und erwartete sie. »Ihr seid bestimmt Ute und Klaus, nicht? Meine Mutter hat mir schon von euch erzählt.« Er begrüßte sie und forderte sie mit einer einladenden Handbewegung auf, in sein Büro zu kommen.
Klaus atmete erleichtert auf.
»Als ich von euch hörte«, sagte Herr Dorsch, »hab’ ich mir gleich überlegt: Die mußt du kennenlernen.« Er setzte sich an seinen Schreibtisch. »Unsereins ist ja immer auf der Suche nach Leuten, die etwas Ungewöhnliches tun. Ganz gleich, ob es Erwachsene oder Kinder sind. Und ich meine, zu denen gehört ihr.«
Ute und Klaus wurden rot. Vor Verlegenheit, aber auch vor Freude über das Lob. Verwirrt saßen sie auf den Stühlen vor Herrn Dorschs Schreibtisch und wußten eine Weile nicht, was sie erwidern sollten.
Ute faßte sich zuerst. »Wir haben Ihnen ein Foto mitgebracht. Klaus hat nämlich Ihre Mutter im Krankenhausgarten geknipst.«
Herr Dorsch betrachtete das Foto erfreut. »Ich hab’ schon lange kein Bild mehr gesehen, auf dem meine Mutter so froh und zufrieden ausschaut. Ich werde es gut aufbewahren. Habt vielen Dank.«
»Wir wollten aber auch noch etwas mit Ihnen besprechen«, sagte Ute zögernd.
»Ja, wir haben da nämlich ein kniffliges Problem«, fügte Klaus hinzu.
Und dann erzählten sie wieder einmal ihre Geschichte von der alten Kolonie und deren Bewohnern — daß es eine Schande wäre, wenn dort einfach alles kaputtgemacht würde. Sie berichteten über ihre Idee von dem großen Fest, womit man vielleicht die ganze Stadt auf das Problem aufmerksam machen könne. Und sie fragten Herrn Dorsch, ob er als Zeitungsmann wohl mithelfen würde, die »Felizitas« zu retten.
»Donnerwetter!« sagte der Redakteur zunächst nur. Sonst nichts. Aber es klang vielversprechend. Er stand auf und ging in seinem kleinen Büro nachdenklich auf
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