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1. KAPITEL
Rafael de Luca hatte sich schon in schlimmeren Situationen befunden. Er konnte damit umgehen und würde sich von diesen Leuten hier nicht ins Schwitzen bringen lassen. Sie würden nie erfahren, dass er keinerlei Erinnerungen an irgendeinen von ihnen besaß.
Er sah sich im überfüllten Saal um und nippte an dem geschmacklosen Wein, um die Tatsache zu überspielen, dass er sich unsicher fühlte. Nur aufgrund seiner starken Willenskraft hatte er so lange durchgehalten. In seinem Kopf hämmerte der Schmerz so gnadenlos, dass es schwierig war, den Wein hinunterzuschlucken, ohne dass sein Magen ihn gleich wieder hinaufbeförderte.
„Rafe, du kannst jetzt verschwinden“, murmelte Devon Carter neben ihm. „Du hast lange genug durchgehalten. Niemand vermutet irgendetwas.“
Rafael drehte sich zu seinen drei Freunden um. Devon, Ryan Beardsley und Cameron Hollingsworth gaben ihm sozusagen Rückendeckung. Und das schon, seit sie zusammen das College besucht hatten und entschlossen gewesen waren, Karriere zu machen.
Sie waren zu ihm geeilt, als er im Krankenhaus gelegen und sich an nichts hatte erinnern können. Sie hatten ihn nicht verhätschelt, sondern ihn behandelt wie immer, und dafür war er ihnen äußerst dankbar.
„Ich hab mir sagen lassen, dass ich nie eine Party vorzeitig verlasse“, sagte Rafael und führte noch einmal das Glas zum Mund. Als ihm jedoch das Aroma des Weins in die Nase stieg, senkte er es wieder.
Cameron, von seinen Freunden nur Cam genannt, lächelte verächtlich. „Wen interessiert, was du normalerweise tust? Es ist deine Party. Sag ihnen, sie sollen sich zum …“
Ryan hob die Hand. „Es sind wichtige Geschäftspartner, Cam. Wir wollen ihr Geld, vergiss das nicht.“
Devon beugte sich hastig vor und flüsterte: „Der Mann, der jetzt auf uns zukommt, ist Quenton Ramsey der Dritte. Seine Frau heißt Marcy. Er ist einer derjenigen, die in den Moon Island Deal investieren.“
Rafael nickte, machte einen Schritt aus dem Schutz seiner Freunde und lächelte das sich nähernde Paar an. Es stand eine Menge auf dem Spiel, und von daher war es wichtig, dass die Investoren nicht nervös wurden. Rafael und seine Geschäftspartner hatten einen fantastischen Ort für ihren Hotelkomplex gefunden – eine winzige Insel vor der Küste von Texas, direkt gegenüber der Bucht von Galveston. Das Land gehörte ihm. Jetzt mussten sie dort nur noch das Hotel errichten und ihre Investoren bei Laune halten.
„Quenton, Marcy, wie schön, Sie beide wiederzusehen. Sie sehen bezaubernd aus, Marcy. Quenton kann sich wirklich glücklich schätzen.“
Die ältere Frau errötete erfreut, während Rafael ihre Hand nahm und sie an seine Lippen führte.
Er nickte höflich und heuchelte Interesse, doch sein Nacken kribbelte erneut, und er musste den Drang unterdrücken, ihn zu massieren. Er hielt den Kopf gesenkt, als würde er jedem Wort der beiden lauschen, doch gleichzeitig ließ er den Blick hastig durch den Saal schweifen auf der Suche nach der Ursache für sein Unbehagen.
Anfangs strich sein Blick über sie hinweg, doch abrupt richtete er seine Aufmerksamkeit zurück auf die Frau, die am anderen Ende des Saals stand und ihn grimmig ansah. Wenn Blicke töten könnten, dachte er und musterte sie abschätzend. Sie ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern starrte ihn weiter an.
Rafael konnte nicht einmal sagen, warum sie ihn so in den Bann zog. Normalerweise stand er auf große, langbeinige Blondinen. Und wenn sie dazu noch blaue Augen und weiche helle Haut besaßen, war er meist verloren.
Diese Frau war klein, trotz ihrer hohen Absätze, und ihr Teint eher südländisch. Dichte schwarze Locken fielen ihr bis auf die Schultern, auch ihre Augen waren dunkel.
Sie musterte ihn, als hätte sie bereits ein Urteil über ihn gefällt und ihn für schuldig befunden. Er dagegen hatte sie noch nie gesehen. Oder vielleicht doch?
Erneut verfluchte Rafael die Lücke in seinem Gedächtnis. Er erinnerte sich an nichts, was in den Wochen vor seinem Unfall vor vier Monaten geschehen war. Und auch die Erinnerungen an die Zeit davor waren nicht vollständig. Es war alles so … willkürlich. Selektive Amnesie. So ein Quatsch. Abgesehen von hysterischen Frauen in