Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
schätzen, dass Middle-Ager sich entgegen der gängigen Meinung in vielerlei Hinsicht auf dem Höhepunkt ihrer geistigen Fähigkeiten befinden, und das so ziemlich überden gesamten Zeitraum zwischen vierzig und sechzig. Es handelt sich hier mitnichten um den »absteigenden Ast«, im Gegenteil: Im Middle-Age hat man ausgiebig Gelegenheit, sich auf einer breiten Gipfelfläche die Sonne auf den Pelz brennen zu lassen. Vor einiger Zeit gab es Untersuchungen zu den kognitiven Fähigkeiten von Middle-Agern, die sich auf Berichte teils anekdotischer Natur stützten, denen zufolge Middle-Ager auf ganz ungewöhnliche Problemlösungen kamen. Dies wertete man als verzweifelte Versuche, einem kognitiven Abbau entgegenzuwirken, der jedoch ganz offensichtlich unaufhaltsam war. Jetzt liegen jüngere Ergebnisse vor, aus denen klar hervorgeht: Menschen mittleren Alters können meist »besser denken« als alle anderen. Vergessen Sie also Ihre Augenfältchen und genießen Sie die Tatsache, dass das mittel-alterliche Gehirn die mächtigste Allround-Denkmaschine des gesamten erforschten Universums ist.
Die zweite Betrachtungsweise der mittel-alterlichen Kognition könnte man mit »Gefahr im Verzug« beschreiben. Denn wenn man am Gipfel ist, kann es ja logischerweise nur bergab gehen. Menschen sind sehr gut darin, sich Gedanken über die Zukunft zu machen – genaugenommen sind wir vermutlich die einzige Art mit einem Bewusstsein von Alter und Tod –, und selbst in dem kurzen Moment des mittel-alterlichen Triumphs ist uns der bevorstehende Niedergang präsent. Middle-Ager sind auch genau in der richtigen Position, um erste, oft nur fragmentarische oder sogar triviale Anzeichen eines beginnenden Rückgangs der geistigen Fähigkeiten wahrzunehmen. Wir erleben eine fast schon paranoide Fokussierung auf das Gedächtnis, sei es, weil wir durch die Medien mit dem Thema Demenz konfrontiert werden, sei es, dass wir selbst pflegebedürftige Eltern haben. Dabei lässt das Kurzzeitgedächtnis erwiesenermaßen frühestens mit fünfzig nach. Das Langzeitgedächtnis ist sogar noch stabiler und bleibt meist bis weit über das Middle-Age hinaus intakt. Sporadische»Aussetzer« kommen weniger von einem dauerhaften Gedächtnisverlust als eher daher, dass eine Erinnerung vorübergehend nicht abgerufen werden kann – diese Fehlleistungen überhaupt zu bemerken, ist dabei typisch für das fleißige Middle-Ager-Gehirn, das zahllose Aufgaben gleichzeitig zu erledigen hat. Das Gedächtnis ist also mit das stabilste Element unseres Denkapparats, was nicht weiter verwundert angesichts der Tatsache, dass Menschen mittleren Alters die Kulturbotschafter zwischen den aufeinanderfolgenden Generationen sind.
Eine dritte Reaktion auf das Erklimmen des abgeflachten, breiten Kognitionshügels könnte die Angst vor dem »trügerischen Plateau« sein. Im mittleren Alter steigert sich die Summe unserer diversen kognitiven Fähigkeiten nach und nach zu einem absoluten Spitzenwert, um dann mit derselben Langsamkeit wieder abzufallen. Und das war’s auch schon. Dadurch, dass nichts Dramatisches passiert, kann sich das von Tag zu Tag – oder auch von Jahr zu Jahr – so anfühlen, als würde man auf der Stelle treten. Und wie ich oben schon angedeutet habe, ist es tatsächlich so, dass die verhältnismäßig geringen Veränderungen der kognitiven Fähigkeiten im Middle-Age der Grund dafür sind, dass Forscher diesem für sie eher unattraktiven Lebensabschnitt kaum Aufmerksamkeit schenken. Dass die Summe unserer kognitiven Fähigkeiten sich nicht groß verändert, heißt aber noch lange nicht, dass damit auch die Art und Weise unseres Denkens gleich bleibt. Und damit wollen wir uns jetzt beschäftigen.
In den letzten zehn Jahren hat eine technische Errungenschaft die Möglichkeiten zur Untersuchung des mittel-alterlichen Gehirns vollkommen verändert, nämlich die Magnetresonanztomographie, kurz MRT. Das zugrundeliegende Verfahren mutet derart haarsträubend an, dass man sein Funktionieren durchaus bezweifeln kann. In einem MRT-Gerät gibt es einen riesigen Magneten, derso stark ist, dass er den Spin aller im Kopf befindlichen Protonen (hauptsächlich Wasserstoffatome) ausrichten bzw. angleichen kann. Außerdem gibt es eine Art Radiosender, der ein hochfrequentes Wechselfeld erzeugt und so diese Protonen kurzzeitig auslenkt bzw. kippt. (Ich hatte schon einmal eine MRT und war ziemlich enttäuscht, dass von diesem Protonen-Gewusel nicht das Geringste zu
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