Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
»dorsolaterale« Tests. So normal ein Rückgang der grauen Substanz im Erwachsenenalter auch sein mag, so sehr mehren sich die Anzeichen, dass damit auch ein Verlust der kognitiven Fähigkeiten einhergehen kann. Wobei wir noch nicht mit Sicherheit wissen, ob das auch für ein normal, also gesund verlaufendes Middle-Age gilt.
Unterhalb der gefalteten grauen Substanz befindet sich eine dicke Masse aus unzähligen, miteinander verwobenen Nervenfasern, die Nervenzellen in weit auseinander liegenden Regionen der grauen Substanz verbinden. Dieser tiefer liegende Bereich, die sogenannte weiße Substanz, war bei den Imaging-Untersuchungen des mittel-alterlichen Gehirns ebenfalls ein beliebter Gegenstand der Betrachtung. Die Verbindungen, die die weiße Substanz herstellt, sind ungemein wichtig, denn eine Nervenzelle aus der grauen Substanz ist nur dann etwas wert, wenn sie mit anderen Zellen verbunden ist – ähnlich wie bei einem Transistor, der inisoliertem Zustand auch recht wenig ausrichten kann. Das Gehirn ist nicht deshalb so faszinierend, weil es aus unglaublich vielen Nervenzellen besteht, sondern weil es die noch viel unglaublichere Leistung vollbringt, all diese Nervenzellen miteinander zu verbinden.
Das Gesamtvolumen der weißen Substanz erreicht im Middle-Age seinen Höhepunkt und erlebt dann erst ab etwa sechzig eine nennenswerte Abnahme. Diese Beobachtung verträgt sich außerordentlich gut mit der Tatsache, dass auch unsere kognitiven Fähigkeiten ihren Spitzenwert im Middle-Age haben. Doch erneut ist es nicht einfach, eine Regelmäßigkeit herauszuarbeiten, was die Abnahme bzw. Nicht-Abnahme der weißen Substanz in den einzelnen Hirnregionen betrifft. In manchen Hirnregionen geht die weiße Substanz im Middle-Age beständig zurück, was im Widerspruch zur allgemeinen Entwicklung steht. Andere Untersuchungen, die sich nicht nur auf eine Messung des Volumens beschränken, sondern sich mit Organisation und Zustand der weißen Substanz beschäftigen, haben ergeben, dass ihre Beschaffenheit im frühen Middle-Age am optimalsten ist, wenn nicht sogar noch früher. Und es wurde behauptet, der unterschiedliche Zustand der weißen Substanz in diversen Hirnbereichen sei der Grund dafür, dass Menschen mittleren Alters die Fähigkeit, schnell zu denken oder schnell von einer Aufgabe zur nächsten zu wechseln, früher verlieren als andere geistige Fähigkeiten.
Auch die Untersuchung einzelner Nervenbahnen hat Erkenntnisse hinsichtlich dessen gebracht, was im mittel-alterlichen Gehirn vor sich geht. So nimmt die Zahl der Proteine, die auf die chemische Substanz Dopamin reagieren (Dopamin-Rezeptoren), beim Älterwerden ab, außerdem verändern sich die diversen Dopamin-Rezeptoren hinsichtlich ihrer Größe, was wahrscheinlich an der Abnahme des Dopamins überhaupt liegt. Dies ist eine bedeutende Veränderung, denn man nimmt an, dass der von dertiefer liegenden Gehirnmasse unternommene Ausstoß von Dopamin in den präfrontalen Cortex nicht nur für die Steigerung der Denkgeschwindigkeit, das Kurzzeitgedächtnis und die Bewältigung von Multitaskingaufgaben verantwortlich ist, sondern auch dafür, nützliche Informationen im Hinter- oder eben »Vorderkopf« zu behalten. So führt gesteigertes Dopaminvorkommen im präfrontalen Cortex bei Teenagern vermutlich zu dem alterstypischen Aufblühen ihres geistigen Vermögens. Umgekehrt führt das Ausbleiben von Dopamin im Middle-Age ganz offenbar nicht zu drastischen Kognitionsverlusten, wenngleich das Gehirn sich diesen Veränderungen durchaus anpassen muss.
Imaging-Untersuchungen haben ganz klar den Beweis geliefert, dass das Gehirn sich anpasst – und die Art und Weise, wie es denkt, im Middle-Age verändert. Nun kann man natürlich bis in alle Ewigkeit vergleichen, wie unterschiedlich Middle-Ager und junge Erwachsene in kognitiven Tests abschneiden, aber erst wenn wir in das arbeitende Gehirn tatsächlich hineinsehen, erkennen wir, dass bei den beiden Altersgruppen bei Lösung der Aufgaben vollkommen verschiedene Denkprozesse ablaufen. Am Ende kommt dasselbe heraus, nur der Weg dorthin ist völlig anders.
So ist bei etlichen Tests der präfrontale Cortex im Middle-Age viel aktiver als in der Jugend, was mitunter auch als verzweifelter Versuch eines Gehirns interpretiert wurde, einen fortschreitenden Abbau zu kompensieren. Für mich handelt es sich dabei schlicht um neue Wege, die das Denken beim Älter- und Reiferwerden einschlägt – und dabei bessere Resultate
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