Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
hin dienlich ist. Nur Großmütter mütterlicherseits können sich nämlich sicher sein, dass die Enkelkinder tatsächlich die ihren sind. Tatsächlich scheint die machiavellistische Berechnung der Großmütter immens zu sein: Wie jetzt allgemein angenommen wird, versorgen sie bevorzugt diejenigen Enkel, die in Form der X-Chromosomen mehr Gene von ihnen geerbt haben (durch das XX/XY-System der Geschlechtsbestimmung werden die Gene auf den X-Chromosomen von Müttern und Vätern unterschiedlich an Töchter, Söhne, Enkeltöchter und Enkelsöhne weitergegeben). Ganz offenbar hängt das Ausmaß des Einsatzes, den Großmütter für ihre Nachkommen zweiten Grades zu erbringen gewillt sind, von einer höchst raffinierten, unterbewusst ablaufenden Wahrnehmung einer genetischen Verwandtschaft ab.
Was uns jetzt langsam aber sicher wieder zu den Walen führt. Grindwale und Orcas ähneln uns Menschen in vielerlei Hinsicht – sie haben ein großes Gehirn, sind intelligent und sozial, kommunizierenin mündlicher Form und besitzen großen Einfallsreichtum bei der Nahrungsbeschaffung. Und verrückterweise erleben sie als eine der wenigen Arten im Tierreich genau wie der Mensch eine »natürliche« Menopause. Langzeitstudien von Walpopulationen haben ergeben, dass die Weibchen zu einem gewissen Zeitpunkt ganz spontan die Fortpflanzung einstellen, und zwar lange bevor sie sterben. Weibliche Wale leben nach dem Ende der Reproduktionsphase sogar oft noch länger als Menschen. Wir haben dadurch die Möglichkeit, unsere biologischen Abläufe mit denen einer anderen, entfernt verwandten Art vergleichen können. Treffen also unsere Überlegungen zur Menopause auch auf die Wale zu?
Zunächst einmal haben Walkälber bessere Überlebenschancen, wenn ihre Mütter älter sind – was auf den ersten Blick ganz gut zu unserer Mutter-Hypothese zu passen scheint. Des Weiteren steigert die Anwesenheit eines Großmutter-Wals die Überlebenschancen des Enkels, am stärksten im dritten Lebensjahr. Mag sich dies auch ganz nach Großmutter-Hypothese anhören, ist nicht erwiesen, dass Walgroßmütter ihre Nachkommen tatsächlich »versorgen«. Und wenngleich es eine gewisse Übereinstimmung zwischen der Fortpflanzung von Walen und unseren Vorstellungen von der menschlichen Menopause gibt, muss man sich klarmachen, dass Wale und Menschen sich zwar in mancherlei Hinsicht ähneln, in ihren Fortpflanzungsabläufen aber keineswegs identisch sind. So findet etwa die Paarung unter anderen Bedingungen statt als bei uns Menschen – es gibt nämlich keine Langzeitbeziehungen. Die sozialen Strukturen sind aber so, dass Weibchen, die in einer bestimmten Ecke der Weltmeere leben, oft eng mit den anderen Weibchen in dieser Region verwandt sind. Und da man sich demnach höchstwahrscheinlich in der Gesellschaft von Verwandten befindet, kann es für die Weibchen auch kein Fehler sein, den Jungwalen ein wenig behilflich zu sein (wie genau dasgeschieht, weiß man jedoch nicht). Möglicherweise erteilen sie ihren Enkeln sogar Ratschläge – man hat vermutet, dass ältere Weibchen den jüngeren Walen beibringen, wie sie Gefahren ausweichen können, etwa dem Packeis an der Meeresoberfläche, das bei Nichtbeachtung zwangsläufig zum Erstickungstod führt. Kann es sein, dass da in den Tiefen der Ozeane eine komplexe, gesprächsfreudige Gemeinschaft existiert, eingebettet in ein schützendes, matriarchalisches System?
So viel also zur Menopause – oder zumindest meiner machiavellistisch-hinterhältig-gonadenzüchterisch-killerwaligen Version davon. Was lernen wir also daraus? Dass die Menopause »fast ausschließlich« beim Menschen vorkommt und bei Frauen keineswegs das Ende der Fruchtbarkeit bedeutet. Dass sie nicht auftritt, wenn oder weil keine Eizellen mehr ausgestoßen werden, und bei Weitem nicht so schlimm ist, wie man uns glauben machen will. Und dass sie vermutlich entstanden ist, damit Frauen sich im mittleren Alter um bereits existierende Kinder oder gar Enkel konzentrieren konnten, ohne selbst schwanger zu werden. Und die ganze Sache hat einen entscheidenden Vorteil: Frauen erleben die Menopause, weil ihre Nachkommen außergewöhnliche Fürsorge erfordern, was bedeutet, dass ihnen ein langes, gesundes Leben vergönnt ist, auch wenn sie selbst keine Kinder mehr bekommen.
Es gibt allerdings einen erbitterten Streit darüber, ob man die »Auswirkungen« der Menopause behandeln sollte. Die, die dafür sind, sagen, die Menopause beruhe auf einem
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