Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
Menopause als Ende der Bedrohung, die eine gebärfähige Frau im Hinblick auf die Stabilität der Gemeinschaft darstellt. In anderen wird sie als Belohnung für geleistete Reproduktionsdienste aufgefasst.
Mythos Nr. 6: Die Menopause existiert nur, weil die Frauen heute »zu lange« leben
Wie wir schon gesehen haben, haben Menschen über die gesamte Geschichte unserer Spezies länger gelebt als nur bis ins Middle-Age. Und da die Menopause bei Frauen im mittleren Alter prominent zutage tritt, muss sie als wichtiges und eigenständiges Element angesehen werden, das von der Evolution über Millionen Jahre hinweg in den menschlichen Lebensplan eingebaut wurde.
Die Menopause als solche zeigt mit ihren delikaten Kontrollfunktionen und präzisen Mechanismen, dass sie sich in Jahrtausenden der natürlichen Auslese ausgeformt hat. Es ist nicht so, dass sie einfach auftritt, nur weil die Menschen heute länger leben als »vorgesehen«.
Warum also haben die Menschen als einzige Primatenart dieses natürliche Einsetzen der Menopause, gekoppelt mit einer in den Jahren davor drastisch abnehmenden Fruchtbarkeit, hervorgebracht? Wir wissen doch, dass die natürliche Selektion Individuen mit einer Vielzahl gesunder Nachkommen bevorzugt – warum sollten die Menschen also ein System entwickeln, das diese Fruchtbarkeit beendet ? Wie konnten in der Vergangenheit Frauen, die irgendwann keine Kinder mehr bekommen konnten, dennoch eine insgesamt größere Anzahl gesunder Nachkommen hervorbringen?
Eine der Theorien besagt, dass die Lebensdauer der Eizellen von Säugetieren begrenzt ist – mit einem »Ablaufdatum« etwa fünfzig Jahre nach Entstehung. Ist dieser Zeitpunkt überschritten, sind die Eizellen zu mitgenommen oder beschädigt, um noch verwendet zu werden, weshalb Frauen sie auch nicht mehr ovulieren. Mir will das allerdings nicht ganz einleuchten. Nur die wenigsten Säugetiere leben länger als fünfzig Jahre, weshalb man das mit dem »Ablaufdatum« gar nicht richtig testen kann. Außerdemkann es ja auch genau umgekehrt sein, dass nämlich Eizellen nicht länger als fünfzig Jahre halten, weil Säugetiere sich nach diesem Zeitpunkt nicht mehr fortpflanzen. Und schließlich sehe ich keine Logik darin, dass die Fortpflanzung insgesamt beendet sein soll, nur weil viele Eizellen beschädigt sind. Frauen müssten doch eher darauf achten, die wenigen verbliebenen intakten Eizellen befruchtet zu kriegen und so die geringe Chance zu nutzen, ein letztes gesundes Kind hervorzubringen, bevor die Eierstöcke komplett den Geist aufgeben.
Einer anderen Erklärung zufolge stellen Frauen die Reproduktion ein, um nicht zur sexuellen Konkurrenz für die nachkommende weibliche Generation zu werden. Das mag sich jetzt hanebüchen anhören – und einen ähnlichen Gedanken haben wir ja schon im Hinblick auf die Evolution des Todes verworfen –, doch es fällt tatsächlich auf, wie selten beim Menschen sexuelle Kontakte zwischen den Generationen sind. Beginnt bei den meisten Säugetieren nach der Geschlechtsreife der lange Lebensabschnitt (etwa 80%), in dem sie mit Partnern jeden Alters Nachkommen zeugen können, nimmt der Zeitraum der Reproduktion beim Menschen nur die ersten beiden Jahrzehnte des langen Erwachsenenlebens in Anspruch, und dabei werden Nachkommen so gut wie nie mit Partnern aus der Generation der Eltern oder Kinder gezeugt. Auch diese Theorie ist umkehrbar, denn nicht vorhandene Sexualkontakte zwischen den Generation müssen nicht der Grund, sondern können genauso gut das Resultat der Menopause sein. Und es ist nicht recht ersichtlich, wie das Fehlen generationenübergreifender Sexualkontakte die Middle-Ager aufwerten könnte – abgesehen davon, dass sie so ihren Kindern nicht potenzielle Sexualpartner vor der Nase wegschnappen.
Die nächste Theorie, die sogenannte »Mutter-Hypothese«, ist insgesamt überzeugender als die bisherigen, denn sie setzt die Evolution der Menopause in Beziehung zu anderen ungewöhnlichenAspekten des menschlichen Lebens. Jäger und Sammler können in der Wildnis überleben (genau wie ihre prä-ackerbaulichen Vorfahren es konnten), weil ihr großes Gehirn ihnen ermöglicht, sich an raue und ganz ungewohnte Lebensbedingungen anzupassen. In anderen Worten, wir sind im Gegensatz zu Tieren, die in einem solchen Fall durch ihre beschränkten Anpassungsmöglichkeiten dem Tod geweiht sind, einfach schlau genug, unser Überleben zu sichern. Dieses große Gehirn hat allerdings seinen Preis: Zum einen
Weitere Kostenlose Bücher