Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir schaffen es gemeinsam

Wir schaffen es gemeinsam

Titel: Wir schaffen es gemeinsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
Vom Netzwerk:
Vernunft oder logischem Denken. Es war einfach eine Macht, in mir oder außer mir, die so drängend war, so gebietend, daß sie für nichts anderes Platz ließ als dies eine: reißen, knoten, reißen, knoten.
    Es war tatsächlich so, daß ich in diesen Minuten buchstäblich nichts sah und hörte. Ich weiß nicht, was zwischen dem Knoten der Wäschestreifen und Ginchens Schrei und Umarmung geschehen war, als ich sicher und wohlbehalten unten auf der Erde stand. Alles ist aus meinem Gedächtnis ausgelöscht. Vielleicht habe ich gehandelt wie eine Schlafwandlerin – ich weiß es nicht.
    Die anderen erzählten, ich hätte die Laken am Fensterkreuz festgeknotet, und die, die unten standen, hätten nur gestarrt und gestöhnt und geschrien. Sie erzählten, man habe eine Leiter geholt, die aber zu kurz war, und man habe nach einer anderen Leiter geschrien, und sie sagten, inzwischen hätte ich nur dagestanden und immer weitergeknotet. Sie hätten mir etwas zugeschrien, aber ich hätte keine Antwort gegeben.
    Merkwürdig. So wirkt also wahre Lebensgefahr auf gewisse Menschen. Alle Gedanken werden ausgeschaltet, sogar die Angst. Nur der Selbsterhaltungstrieb bleibt und diktiert das logische Handeln.
    Dann sei ich aus dem Fenster geklettert und habe mich an dem Tau herabgelassen. Ich glaube, daran erinnere ich mich noch – ganz schwach und nebelhaft – , daß mich irgendwie ein Schauder überlief, als das Tau zu Ende war und ich nur noch an den Armen baumelte. Aber nun waren es nur zwei, drei Meter bis zum Erdboden. Und als dann eine Stimme rief: „Lassen Sie los! Wir fangen Sie auf!“, da muß es in mein Bewußtsein eingedrungen sein, denn ich tat, wie man mir hieß.
    Dann erinnere ich mich noch an Ginchen. Als ich ihre Armchen um meinen Hals fühlte, da kam ich wieder zu mir. Ich heulte wie ein Schloßhund. Es ist möglich, daß es eine Art Hysterie war. Sicher ging mir jetzt hinterher erst das ganze Entsetzen richtig auf.
    Es war niemand ums Leben gekommen.
    Wir saßen in der großen Stube des Nachbarhofs von Bakkelund. Wir tranken Kaffee und erholten uns langsam wieder. Und mit einemmal wurde mir die Komik der ganzen Situation erst so richtig bewußt:
    Dort saß Frau Björvik im Perlonnachthemd, Ledermantel und mit einem Paar geliehenen Männerschuhen an den Füßen – den Schmuckkasten an sich gepreßt und Nuni neben sich, die halb schlief. Dort saß Frau Wimmer im Wollmantel mit der Reisetasche auf dem Schoß und Ginchen oben auf der Tasche, ebenfalls schlafend. Dann ich im Pyjama und Peterchen, der in eine Wolldecke gehüllt war, in meinen Armen ganz fest an mich gepreßt. Ringsherum saßen mehr oder weniger bekleidete Damen mit mehr oder weniger schlafenden und wimmernden Kindern. Einem Hotelmädchen wurde ein Verband um den Arm gemacht. Sie hatte das andere Giebelzimmer gehabt, und als sie sich an einer Feuerleiter – sie hatte eine, der Glückspilz! – herunterließ, hatte sie sich unterwegs an einer zerschlagenen Fensterscheibe geschnitten.
    Allmählich beruhigten wir uns wieder einigermaßen. Es fing an zu dämmern. An Schlaf war jedenfalls für die Erwachsenen nicht mehr zu denken. Telegramme wurden abgeschickt und Telefongespräche angemeldet. Die meisten von uns besaßen nicht viel mehr als das Nachtzeug; wir mußten bleiben, wo wir waren, bis uns Sachen geschickt werden konnten.
    Frau Wimmer, die Kinder und ich wurden in eine Kammer mit zwei Betten gesteckt und verbrachten zwei schlaflose Nächte mit je einem Kind als Bettgenossen. Dann kamen unsere Kleider aus der Stadt, und wir konnten erleichtert und mit vielem Dank die Kleidungsstücke wieder zurückgeben, die uns die guten Leute auf dem Hof geliehen hatten. Kurz bevor wir abreisten, suchte uns der Hotelbesitzer auf. Er bat uns, genau aufzuschreiben, was für Sachen wir durch den Brand verloren hätten und wenn möglich auch ihren Anschaffungswert. Er würde uns die Summe zurückerstatten, soweit es ihm möglich war.
    Das war eine angenehme Überraschung! Jetzt freute ich mich gewaltig, daß ich mit gutem Gewissen ein Abendkleid zu fünfhundert Kronen aufschreiben konnte, eine Armbanduhr zu sechshundert, einen Pelzumhang zu achthundert. Hinzu kam noch all der Kleinkram, der an sich nicht gerade kostbar war, aber im ganzen doch einen Wert darstellte.
    Als ich einige Tage wieder in der Stadt war, erhielt ich einen höflichen Brief vom Hotelwirt. Ob ich mit zweitausendfünfhundert Kronen Schadenersatz zufrieden wäre?
    O ja, danke. Das war ich. Ich

Weitere Kostenlose Bücher