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Wir sehen uns in Paris

Wir sehen uns in Paris

Titel: Wir sehen uns in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kolloch Elisabeth Zöller
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Der Junge steigt aus dem ersten Waggon – ohne jede Eile, die rote Baseballkappe in den Nacken geschoben. Wieder rennt Isabella los. Ihr Blick haftet an ihm. Jetzt will sie ihn nicht mehr verlieren. Sie reißt die Augen so weit auf, dass sie brennen. Als würde er das auf seiner Haut spüren, dreht er sich plötzlich um, sieht Isabella, schaut einen Moment verdutzt – und läuft los. Sofort. Er hat begriffen, dass es noch nicht vorbei ist.

Das war knapp. John keucht, bläst die Backen auf und lässt sich auf einen Sitzplatz fallen. Die Bahn fährt ratternd los. Auf beruhigende Weise wird er rückwärts in den Sitz gedrückt. Schon ist der Zug in der Tunnelröhre. Aus den Augenwinkeln hat er das dunkelhaarige Mädchen gesehen. Sie ist in den letzten Wagen gespurtet. Sprang gerade noch hinein. Sie ist immer noch hinter ihm her, dabei hat er mit ihr am wenigsten gerechnet. Sie war schließlich wie angewurzelt und mit einem ziemlich dämlichen Gesichtsausdruck stehen geblieben. Die andere war gefährlich, die Blonde. Fast hätte sie ihn gehabt. Für einen Moment hatte er geglaubt, sie würde ihn treten. Sitzt sie auch im Zug?
    Es sind zehn Stationen bis zur Warschauer Straße. Die reinste Weltreise, aber er muss da hin. Seine Sachen holen, sich von Danni verabschieden, vielleicht sogar im Fabrikkauf Bescheid sagen. Mal sehen.
    Sein Instinkt rät ihm, doch wieder zur Tür zu gehen, einfach dort stehen zu bleiben und stiften zu gehen, sollte sie ihm zu nahe kommen. Er hängt sich die Tasche über die Schulter und stellt sich an den Ausstieg. Und wenn er sie sieht, springt er raus und versucht zu verschwinden. So einfach ist das. Mit Vollgas raus aus der Station und weiter durch die Straßen. Darin ist er gut.
    Die U-Bahn ist voll um diese Zeit. Er mustert seine Mitreisenden. Einige Gesichter kennt er. Die werden sich wegen eines schreienden Mädchens nicht selbst in Schwierigkeiten bringen. Auch wenn sie rufen sollte: »Fasst den Dieb!«
    Er hat nicht wirklich nachgedacht vor dem Überfall. Konnte er ja auch nicht, weil er sich die letzte Nacht um die Ohren geschlagen hat. Er ist zu müde. Die letzte Nacht war schrecklich. Plötzlich hatte er diese Panikattacke. Sie kam so unvermittelt, dass er erst nicht verstand, was mit ihm passierte. Er fühlte sich hilflos, zitterte und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er hatte nur Saarbrücken im Kopf, und er wusste, dass er jetzt sofort dahin musste. Und er hatte eine Mordsangst dabei. Nicht nur wegen Harpo.
    John will einfach nur noch weg von hier. Bevor alles zu spät ist.
    Wie blöd ist er in der Stadt herumgelaufen, auf der Suche nach einer Lösung für sein Problem – die ganze Nacht und den ganzen nächsten Morgen. Schließlich stand er am Geländer der U-Bahn-Station am Ku’damm in der hellen Sonne und überlegte, wie er an Geld kommen könnte. Er hatte sich diesen Typen mit der dicken Aktentasche ausgeguckt, der aus dem Taxi gestiegen war und runter in die U-Bahn wollte. Aber dann … zu spät, Gelegenheit verpasst. Schneller als er hinsehen konnte, war der Mann verschwunden. John hatte einfach zu lange gezögert. So etwas ist schließlich nicht sein Ding. Nicht, dass er nicht schon mal geklaut hätte. Aber es war sowieso zu spät. Er hatte sich wieder umgesehen und dann war sie auf einmal da, direkt vor ihm: die Lösung! In Gestalt dieser beiden Mädchen.
    Zwei Mädchen, die beinahe alles haben, die wahrscheinlich Delfine lieben, Pferdebücher lesen und jeden Wunsch von den Augen abgelesen bekommen und trotzdem nicht wunschlos glücklich sind. Reiche Schnepfen eben. Tussen. So welche sind das doch.
    Und er hörte nur Paris und dachte sofort Saarbrücken. Klick! Berlin – Hannover – Saarbrücken – Paris. Ihn interessiert nur Saarbrücken. Dahin muss er zurück. Am besten noch heute.
    Wie kann man auch nur so blöde sein? Erzählen sich die beiden Hübschen lauthals, was sie in der Tasche haben! Die Zauberfahrkarte für ihn. Die Karte, die eine Menge seiner Probleme löst.
    John öffnet die Umhängetasche und kramt darin herum. Da ist das Ticket ja – in einem Umschlag vom Reisebüro. Der Zug geht heute Abend. John findet ein Handy und schaltet es aus. Er nimmt sich vor, es so bald wie möglich in einem Papierkorb verschwinden zu lassen. Und dann ist da auch noch Geld in einem kleinen Portemonnaie. Wirklich nicht schlecht. John versucht, ruhig zu atmen, ist fast aufgeregt, weil er Marie bald wiedersehen wird.
    Die Bahn fährt kreischend in die nächste Station

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