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Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Titel: Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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will, der grauenhafter ist als jeder Tod. Sich auszuliefern einem Geliebten und nicht gewollt zu werden, nicht gemeint zu sein, nein, das kann sie nicht noch einmal überstehen. Es ist wie ein Tod bei lebendigem Leib, als würde der zerrissen bei vollem Bewusstsein. Lieber tot sein als das.
    Die Stille ist jetzt mit Händen zu greifen. Heinrich fällt in sich zusammen, man sieht es an seinem Gesicht. Die Lippen stehen plötzlich dünn und schräg, sein Blick wird wirr, die Augen finster, alles an ihm ist entsetzlich verzerrt.
    Willst du jetzt nicht mehr mit mir sterben, Jettchen?, fragt er schließlich bestürzt. Er streckt zögernd die Hand aus, will sie berühren, bleibt auf halbem Weg stecken. Die Stille wird grausam und schwer.
    Henriette wartet mit der Antwort. Sie kann sie nicht sagen. Dabei steht sie längst unverrückbar fest. Unsere Angelegenheit. Unsere kleine Verabredung.
    Du schreibst jetzt diesen letzten Brief, sagt sie, nüchtern, dass die Stimme wie trockene Wäsche im Eiswind knarrt, und dann will ich nichts mehr von ihr hören oder irgendeinem anderen sonst.
    Heinrich stürzt sich auf ihre Hände, bedeckt sie mit seinen ungestümen Küssen, danke, mein Jettchen, ich danke dir, sei mir nicht böse, du bist doch die Einzige, die liebste, meine Blume, mein Gesang, mein Hoffen, meine –
     
    Lass das, sagt sie. Immer musst du zerstören. Selbst das, was du liebst.

8
    (Henriette trinkt Kaffee, nachts um halb vier)
     
    Why is a Wish
    dearer than a Crown?
    That Wish accomplish’d,
    why, the Grave of Bliss? 4
     
    Edward Young,
    Night Thoughts, 1743
     
    Wie kommen wir hier wieder heraus? Wie sind wir bis hierher gekommen?
     
    Vielleicht hat Henriette an diesem Punkt der Nacht den Kaffee bestellt, eine Portion für sich allein, etwa gegen halb drei oder drei. Ja, das könnte sein. Sie ist aufgestanden, hat sich gefasst, ist in ihr Zimmer hinüber, sie hat den Tisch wieder an seinen Platz geschoben, vor den Spiegel, an der Wand. Sie hat nach der Bedienung gerufen oder geklopft. Der Tagelöhner Johann hat geschlafen, neben dem Ofen, tief und fest; die Magd, die in der Kammer neben der Küche liegt, hat das Klopfen gehört, hat sich erhoben, hat sich ein Tuch um die Schultern gelegt und es fest um sich gezogen, sie ist in ihre Schuhe geschlüpft, hat den Leuchter angezündet, ist hinaufgestiegen, hat nach der Frauensperson gesehen, die nachtsum drei nach ihr ruft. Auch aus dem Zimmer des Herrn sieht sie am Boden einen dünnen Strahl vom Licht. Ob es ihr schlecht gehe?, hat sie gefragt. Ob sie ihrer bedürfe? Nein, sie wolle nur eine Tasse Kaffee. Um diese Zeit?, entfährt es der Magd. Es ist doch tief in der Nacht! Sie müsse einen Kaffee haben, sonst hätte sie wohl nicht nach ihr gerufen.
    Die Magd knickst, geht davon. Das ist ihr noch nie passiert. Im Herd glimmt noch ein letztes Stück Holz. Johann schnarcht, was soll’s. Sie ist nun wach. Sie wirft einen Holzscheit in den Herd und stochert in der Glut, bis eine Flamme hochschlägt. Sie setzt den Kessel auf mit dem Wasser, nicht zu viel, damit es nicht zu lange dauert. Sie füllt Bohnen in die Mühle, setzt sich, die Mühle zwischen ihren Knien, und dreht sie, sie mahlt den Kaffee in der Mühle, grübelt und grübelt, steht wieder auf, nimmt die Kanne aus Messing, die kleinste, für eine Portion, füllt das Kaffeepulver hinein und wartet. Als das Wasser schließlich kocht, gießt sie es darauf. Der Duft zieht ihr köstlich in die Nase, doch das Getränk ist teuer und ihr selbst untersagt. Sie stellt das Kännchen, die Dose mit dem Zucker, das feine Tässchen mit dem Teller auf ein Tablett und geht hinauf zu der Dame.
    Sie klopft, tritt ein, da sitzt sie, am Tisch, und schreibt. Ihr volles dunkles Haar fällt ihr wild auf die Schultern, ihre blauen Augen leuchten fast unheimlich, überwach. Sie trägt dieselben Kleider wie am Tage, jetzt fällt es der Magd erst auf, sie ist noch gar nicht zu Bett gewesen!
     
    Henriette trinkt Kaffee, nachts um halb vier.
    Sie sitzt mitten in der Novembernacht in einem fremden Zimmer, an einem ungewohnten Ort, der ihr vor Kurzem wie das Paradies selbst noch erschien, und ist zutiefst verwirrt. Wie sie sich neuerdings benimmt, mit dieser Schroffheit, und so unbeherrscht, so kennt sie sich ja gar nicht. Sie nimmt ein Löffelchen voll mit Zucker, schüttet es in die Tasse mit dem Kaffee, rührt, noch ein Löffelchen, so. Sie nippt an der Tasse, der Kaffee ist sehr heiß, sie schlürft mit spitzen Lippen. Sie blickt auf

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