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Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Titel: Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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diesem Augenblick die Liebe angefangen. Die Liebe, die schon früher da war, vielleicht oder ganz sicher hatte sie von ihrem ersten Treffen an begonnen, aber hier, im Halbdunkel des Treppenhauses, an diesem unmöglichen Ort, mit Henriettes ganzem Leben hinter ihr, hinter ihrem Rücken, hier war sie hinausgetreten, ins Bewusstsein der beiden, in das ohne Worte Ausgesprochene, hinausgetreten, so wie Henriette jetzt einen halben Schritt nach vorn tat, auf Heinrich zu, und eine winzige Sekunde ihr heißes Gesicht an seines legte.
     
    Gibt es etwas, das du bereust? Oder vermisst? Das dir nie gelungen ist?
     
    Der kurze Docht geht zu Ende, Heinrich sieht es am heftigen Flackern, wilde Schatten wirft es in das Zimmer. Er will nicht, dass es dunkel wird, er will nicht, dass der Schlaf ihn überfällt. Vorsichtig zieht er den Arm unter Henriettes Kopf heraus, er ist taub, eingeschlafen. Vorsichtig versucht er hochzukommen, aus dem Bett zu klettern, aber natürlich, sie schlägt die Augen auf, sieht ihn verwundert an. Eine neue Kerze liegt auf dem Tisch. Heinrich zündet sie an der zu Ende gehenden an, steckt sie im Leuchter fest. Er setzt sich auf den Bettrand zu ihr. Sie sehen sich an. Er nimmt ihre Hand.
    Es ist schon sehr spät, sagt er.
    Wir haben nicht mehr lange Zeit, sagt sie.
    Als würden alle alten Geschichten von uns abfallen, fortgespült, von uns genommen, in dieser langen Nacht, sagt Heinrich und streicht Henriette mit dem Finger sanft über die Stirn. Sie küsst den Finger.
    Du musst es nicht aussprechen, flüstert Henriette, ich sehe genau, was du denkst.
     
    Machen wir hier eine weitere Aufnahme.
    Die Situation: Es ist zwölf Stunden später, oder nur elf, ungefähr zwischen drei und vier Uhr am Nachmittag. Der Gastwirt Stimming hat sich etwas über seine Gäste gewundert. Erst wollten sie kein Frühstück, nur schwarzen Kaffee. Mit viel Zucker allerdings. So wie um vier Uhr in der Nacht, und dann wieder früh um sieben. Es war überhaupt eine sehr unruhige Nacht. Kaum eingeschlafen,war er von Geräuschen geweckt worden. Eine Tür war zugeworfen worden, der Knall hatte ihn hochschrecken lassen. Er hatte im eisigen Schlafzimmer neben seiner Frau gelegen und gelauscht. Hin und her gegangen waren die beiden Gäste über ihnen, das Zimmer lag etwas versetzt zu ihrem, aber er konnte es hören. Stimmen, Lachen, lautes, erregtes Sprechen. Ein schönes Pärchen. Machte die Nacht zum Tage.
    Am Vormittag waren sie beide heruntergekommen. Hatten bei seiner Frau Friederike die Rechnung bestellt. Seltsam, wo sie doch noch eine Nacht bleiben wollten und sogar Eierkuchen für den Abend wünschten. Schöne, leckere, süße Eierkuchen, hatte die Dame gesagt und entzückend gelacht.
     
    Ein Mann, eine Frau. Nicht verheiratet. Er, verquollen, mit müden Augen. Sie, frisch wie eine Rose, eine weiße, allerdings mit leichten Narben. Sehr munter. Im weißen Kleid, geschnürt, und an den Füßen schwarze Stiefelchen aus feinstem Korduanleder, Ziegenleder, sehr weich, sicher um die Knöchel mit einem Band festgebunden. Er mit seinen abgetragenen braunen Schlappstiefeln.
     
    Am Nachmittag also, zwischen drei und vier, sucht der Tagelöhner Johann Riebisch gerade im Hühnerstall, der zum Gasthof gehört, nach Eiern, für die gewünschten Eierkuchen am Abend, als seine Frau außer Atem zu ihm kommt und ihn bittet, ihr beim Tragen behilflich zu sein. Er versteht nicht recht. Doch, doch, sagt sie, du hast mich richtig verstanden, die beiden Leute aus Berlin wollenihren Kaffee am See zu sich nehmen. Wir sollen ihnen Tisch und Stühle bringen. Nee, sagt er und guckt auf die Eier in seinen Händen, das meinst du nicht ernst. Sie verdreht die Augen.
    Komische Leute, wirklich. Er hat sie, eine halbe Stunde zuvor, auf der Chaussee angetroffen. Er hatte auf das Geheiß von Stimming eine Karre mit Mist geholt und war mit ihr über die Brücke gekommen, als die beiden angehopst kamen, als wären sie Kinder. Ob er ein wenig ausweichen könne, hatte der Mann gefragt, und auf sein stummes Zögern hin, die Karre war schließlich schwer, hatte er hinzugefügt, er gebe ihm auch einen Groschen dafür. Und schon funkelte er vor seinen Augen, der Groschen. Nicht nötig, hatte Riebisch gemurmelt, er sollte ja alles tun, den Gästen zu gefallen, und hatte ihn in die Tasche gesteckt. Er hatte die Karre auf die Seite gezogen, dorthin, wo es matschig war und uneben, und die Dame hatte, ihren Rock und ihren Mantel etwas anhebend, den Weg genommen. Kaum

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