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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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Zahlen aus. Die Angaben werden auch dadurch erschwert, dass viele Frauen dieser Tätigkeit nur nebenbei, gelegentlich oder für einen kurzen Lebensabschnitt nachgehen. +++ Mehr als die Hälfte der Prostituierten in Deutschland sind ausländischer Herkunft. Die meisten von ihnen stammen aus Osteuropa, Thailand oder Afrika. Ein großer Anteil von ihnen hat keine Aufenthaltserlaubnis. Viele dieser Frauen werden von kriminellen Banden eingeschleust und dann zur Prostitution gezwungen. +++ Bis zum Jahr 2002 galt die Prostitution in Deutschland als sittenwidrig. +++ Seit dem 1. Januar 2002 gibt es ein »Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten«. Demnach gebührt Prostituierten ihr Lohn für sexuelle Handlungen nun von Rechts wegen. Sie können sich seitdem bei Krankenversicherungen anmelden, eine Steuernummer beantragen und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi beitreten.

»Mit Krebs wird viel Geld verdient.«
    Franziska, 56 Jahre, Pharmareferentin, kennt sich aus mit bestechlichen Ärzten und einer gierigen Milliardenbranche.
    I ch misstraue Medikamenten. Das ist jetzt vielleicht ein Widerspruch, schließlich arbeite ich für die Pharmaindustrie und überzeuge Ärzte davon, ihren Patienten die Medikamente meiner Firma zu verschreiben. Aber so ist das Leben - voller Widersprüche. Ich bin auf der Suche nach einem guten Heilpraktiker, diese ganze Chemie, die wir uns in den Körper pumpen, kann nicht gut sein. So genau weiß doch auch niemand, welche chemischen Prozesse im Körper wirklich ausgelöst werden durch Medikamente. Und dem will ich mich nicht mehr aussetzen.
    Ich vertreibe ein Krebsmedikament für eine große internationale Pharmafirma. Hinter dem Medikament stehe ich auch, weil es wirklich gut ist. Hinter den Methoden meines Arbeitgebers zu stehen, fällt mir dagegen zunehmend schwer.
    Seit einiger Zeit arbeite ich wie in einer Drückerkolonne. Ich bekomme jeden Tag eine Liste, und da steht dann, dass ich mindestens acht Ärzte besuchen muss. Das ist richtiges Klinkenputzen, man schaut bei denen zu den
Sprechzeiten in der Praxis vorbei, setzt sich ins volle Wartezimmer, bis man irgendwann drankommt, und erzählt dann von seinem tollen Medikament. Man stiehlt dem Arzt die Zeit, die er eigentlich für seine Patienten braucht. Manche bekommen im Schnitt jeden Tag Besuch von zwei Pharmavertretern, das nervt die natürlich auch. Und besonders viel Umsatz macht man so auch nicht.
    Früher hat mir das Arbeiten mehr Spaß gemacht, da hatte ich nicht diese genauen Zielvorgaben, ich konnte freier arbeiten. Ich habe in einem Jahr allein in meinem Einzugsgebiet 1,2 Millionen Euro Umsatz gemacht, ich war wirklich erfolgreich. Weil ich den Ärzten nicht stupide auf den Geist gehen musste, sondern den persönlichen Kontakt suchen konnte. Manchmal habe ich in einzelnen Praxen auch mal am Tresen ausgeholfen, wenn viel los war, oder mal Blutdruck gemessen.
    Ich bin gelernte Krankenschwester. Und so bekommt man natürlich auch einen anderen Draht zu den Ärzten. Ich verkaufe über die emotionale Schiene, und rhetorisch bin ich sehr fit. Ich hatte Kollegen, die waren gelernte Biologen und Chemiker, die waren nicht mal halb so erfolgreich wie ich. Beim Verkaufen geht es nicht um wissenschaftliche Argumente, sondern um persönliches Vertrauen. Und das erwirbt man sich nicht, indem man wie ein Staubsaugervertreter die Praxen abklappert oder mit strengen Vorgaben, wie viele Besuche man pro Tag zu schaffen hat.
    In der Firma setzen sie jetzt verstärkt auf junge Kollegen. Die kommen direkt von der Uni, das ist deren erster
Job, da mucken die natürlich nicht auf. Und man muss sagen, dass man immer noch gut verdient in der Pharmabranche. Ein Mediziner zum Beispiel verdient bei uns deutlich mehr als in einer Klinik - und das ohne Achtundvierzig-Stunden-Schichten.
    Ich habe viele Jahre als Krankenschwester gearbeitet, aber ich hatte starke Knieprobleme und konnte nicht mehr so lange stehen. Also musste ich mich nach was anderem umsehen, und da hat mich ein Pharmavertreter in der Klinik angesprochen, ob ich nicht in die Branche einsteigen will. Ich weiß noch, wie er sagte: »Macht mal den Medizinschrank auf!«, und die Medikamente seiner Firma nach vorn räumte und die der anderen nach hinten. So läuft das.
    Natürlich manipuliert die Pharmaindustrie Ärzte. Das ist kein Geheimnis. Eine Kollegin von mir vertreibt

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