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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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Generika, das sind Kopien mit gleichem Wirkstoff, wie sie bekannte Medikamente haben. Und jeden Abend packt sie dicke Tüten mit Musterpackungen, die sie den Ärzten in die Hand drückt - das ist natürlich illegal. Wir veranstalten Kongresse für Ärzte, da werden auch ein paar Vorträge gehalten, aber das Rahmenprogramm ist vor allem Wellnessurlaub.
    Es gibt richtig fiese Ärzte, die verkaufen die Krankheiten ihrer Patienten regelrecht, kassieren zum Beispiel ein irres Geld für Anwendungsbeobachtungen. Da wird dann einer Reihe von Patienten ein bestimmtes Medikament verschrieben und die Wirkung genau dokumentiert. Das ist wichtig, um zum Beispiel die Dosierungsangaben zu verfeinern.
Aber oft wird so eine Anwendungsbeobachtung nur missbraucht, um den Medikamentenabsatz in die Höhe zu treiben und den Arzt bei der Stange zu halten.
    Ich denke, schmieren und schmieren sind zweierlei. Ich kenne zum Beispiel einen Arzt, der toll ist, der wirklich alles zum Wohle seiner Patienten tun würde. Aber der brauchte nun mal einen Laptop, um eine Anwendungsbeobachtung für mich zu machen. Und den hat er dann auch von mir bekommen, dafür konnte ich in seine Patientenakten gucken. Ich denke, dadurch entsteht den Patienten ja kein Schaden, schließlich habe ich Schweigepflicht.
    Ich versuche auch, Ärzte als Berater für meine Firma zu gewinnen. Wir profitieren von deren Know-how, und die Ärzte verdienen sich in ihrer Freizeit noch was dazu. Ein Gewinn für beide Seiten.
    Natürlich gibt es Krankheiten, die für die Pharmaindustrie lukrativer sind als andere. Mit Krebs wird viel Geld verdient, die Gewinnmargen sind riesig. So verkaufe ich eine Ampulle für über hundert Euro, in der Herstellung kostet sie nur ein paar Euro.
    Neue Medikamente sind in der Regel auch nicht besser, denn meistens reagiert die Industrie kurz bevor ein Patent ausläuft. Dann wird bei einem Medikament ein kleines Molekül verändert oder irgendwo noch ein Zucker angehängt, und schon verkaufen sie das als brandneues Ergebnis ihrer Forschung.
    Es ist alles Marketing. Wird ein neues Medikament in den Markt eingeführt, dann gehen von dem Budget ein
Viertel in die Forschung, drei Viertel ins Marketing. Pharmafirmen wollen zu allererst Geld verdienen, da geht es erst mal nicht um die Patienten. Und meine Firma macht einen Jahresumsatz von fünf Milliarden Euro.
    Es gibt Firmen, von denen weiß ich, die machen richtig krumme Geschäfte. Zum Beispiel gibt es in Deutschland Händler, die Medikamente über eine Briefkastenfirma im Ausland einschleusen. So können sie die hier in Deutschland als Importe ausweisen und sparen sich die Mehrwertsteuer. »Graue Apotheken« nennt man diese Firmen, ihre Gewinne teilen sie mit der Pharmaindustrie.
    Ich bin für meinen Arbeitgeber ziemlich unbequem geworden, weil ich solche Dinge weiß und auch anspreche. Jetzt drängen sie mich, in Rente zu gehen. Aber ich gehe nicht so einfach, ich habe einen Sohn, für den ich sorgen muss. Ich bin zu jung für die Rente, ich stehe noch voll im Saft und habe noch jede Menge Ideen. Und ich lass mich von denen nicht fertigmachen, dafür haben die mit mir einfach viel zu viel Geld verdient.
    Â 
    Die Pharmaindustrie gibt nur 10 % ihrer Einnahmen für Forschung an neuen Medikamenten aus, 40 % dagegen für die Vermarktung. +++ Bundesweit ziehen rund 16 000 Pharmareferenten durch die Arztpraxen, um Medikamente zu vermarkten. Die Pharmaindustrie zeigt sich spendabel: Ärzte erhalten für fragwürdige Medikamentenstudien am Patienten hohe Honorare oder auch schon mal Flachbildschirme, Laptops oder Kaffeeautomaten. +++ 120 der rund 315 000 berufstätigen Mediziner in Deutschland haben
sich zur »Initiative unbestechlicher Ärzte« zusammengeschlossen und lassen keine Pharmareferenten mehr in ihre Praxis. +++ Jeder zweite Deutsche nimmt regelmäßig Medikamente. Mindestens 16 000 Menschen sterben allein in Deutschland jährlich durch Nebenwirkungen von Arzneimitteln.

»Wenn sich einer vor den Zug wirft, muss ich raus aufs Gleis.«
    Gisela, 45 Jahre, Zugbegleiterin, hat Angst vor jeder Vollbremsung und wäre gern kulanter mit den Gästen.
    I ch kann verstehen, dass die Leute oft sauer sind auf die Deutsche Bahn. Da kaufen sie ein Ticket mit Dauer-Spezial-Preis, nehmen aber einen Zug früher, weil sie vielleicht eher aus dem Meeting raus sind, und müssen dann bei mir ein

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