Wir sind bedient
wollte ich mal im Supermarkt Roastbeef kaufen, das hatten die dann schön mit Marinade eingepinselt, und man hat trotzdem gesehen, dass das alt war. So was regt mich auf, weil es meinen Beruf in Verruf bringt. Dann bestell ich doch lieber weniger und nehme jeden Tag frische Ware rein. Oder es ist dann eben auch mal was alle, dann muss man den Kunden sagen: »Tut mir leid, Schweinelende ist aus, kommt morgen wieder frisch rein.«
Wir machen bei uns im Laden zum Beispiel das Gehackte immer frisch und drehen es erst bei Bestellung durch den Fleischwolf. Das dauert natürlich eine Minute, aber die Kunden nehmen sich die Zeit, weil sie es dann eben ganz frisch haben. Dieses Hack in den Paketen würde ich nie kaufen, da seh ich ja schon an der Farbe, dass das nicht schmecken kann. Das Fleisch ist meistens blass, so helles Fleisch ist oft aus Fleischabschnitten oder von einem zu jungen Ferkel. Ein ausgewachsenes Schwein hat schönes dunkelrotes Fleisch.
Mich freut es, wenn die Leute zu uns kommen und nicht den abgepackten Kram aus dem Supermarkt kaufen. Gerade am Anfang des Monats haben wir viele Kunden,
die es sich eigentlich sonst nicht so leisten, auch um den Fünfzehnten herum, wenn das Kindergeld kommt. Aber wenn man Kinder hat und wenig verdient, dann kann es auch nicht immer Wurst vom Fleischer sein, das verstehe ich natürlich. Gegen Monatsende, wenn bei den Leuten das Geld knapp wird, ist bei uns auch deutlich weniger los. Klar, das ist schade. Aber wir müssen ja auch leben, wir können mit den Preisen nicht so runtergehen wie die Discounter, wo es alles für die Hälfte gibt.
Die meisten Kunden sind sehr nett. Vor allem die Ãlteren, man glaubt gar nicht, wie viele Rentner wir so über den Tag hinweg trösten. Die ersten kommen schon um halb elf und gucken, was es heute zu essen gibt, und stellen immer die drolligsten Fragen: »Ist das auch frisch?« Ja, na klar, als würde eine Verkäuferin jemals antworten: »Ne, das ist uralt!«
Viele haben ja niemanden zum Reden, die erzählen dann von ihren Enkeln oder was sie sonst so bewegt. Manche bringen auch Formulare mit, die sie nicht verstehen, und dann muss man schon mal beim Ausfüllen helfen. Dafür spendieren sie einem einen Kaffee oder bringen was fürs Frühstück mit. Ein Kunde steckt mir immer Blumen ans Auto. Manche verstehen vielleicht auch falsch, dass ich immer nett bin, das ist ja nun mal mein Beruf. Aber gut, kann ja auch nicht schaden, wenn sich da mal einer verguckt.
Es gibt auch junge Leute, die sind gerade zu Hause ausgezogen und fragen ganz süà nach, wie sie denn nun ein bestimmtes Fleisch zubereiten. Und alle geraten immer
total aus dem Häuschen, wenn ich zufällig mal auf Anhieb exakt so viel Hack auf die Waage packe, wie bestellt worden ist. Oder wenn ich kleinen Kindern ein Würstchen über die Theke reiche. Darf ich eigentlich nicht, kostet ja auch Geld. Aber das ist doch Tradition, und die Eltern freuen sich immer und sagen: »Das gab es schon zu meiner Zeit.«
Klar, es gibt auch Kunden, die könnte ich zum Mond schieÃen. Die beschimpfen einen als blöde Kuh, und man muss noch freundlich dazu lächeln. Zum Beispiel wenn ich an der Schneidemaschine Aufschnitt mache, dann ist das irre laut, und ich stehe mit dem Rücken zur Theke. Da kriege ich einfach nicht mit, wenn da jemand steht und bedient werden möchte. Und wenn da Leute gleich pampig werden und sagen: »Na, wollen Sie mich nicht mal endlich bedienen?«, so was ärgert mich. Ich hab ja keine Wahl, ich muss immer freundlich sein. Einmal ist mir rausgerutscht: »Kommen Sie doch rein und sagen Sie erst mal laut Guten Tag, dann höre ich Sie auch und bediene Sie auch gern.«
Die Leute haben auch keine Zeit mehr, da muss immer alles rucki, zucki gehen. Und wenn mal was schiefläuft, wird sofort nach dem Chef gebrüllt.
Einmal hatte ich richtig Ãrger, da ging es um eine kleine Tomatenleberwurst, das weià ich noch ganz genau. Da kommt also eine Frau herein, kauft diese kleine Tomatenleberwurst, am nächsten Tag kommt sie wieder und behauptet, die wäre schlecht gewesen. Kann eigentlich nicht sein, wir verkaufen jeden Tag fast alles raus.
Aber egal, ich sage zu ihr: »Das tut mir aber leid, das ersetzen wir Ihnen gern.« Und sie: »Ja, und was ist mit meiner Entschädigung?« - »Wieso Entschädigung?«, habe ich gefragt. »Wenn Sie ein Kleidungsstück
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