Wir sind bedient
und wenn man dann ein bisschen eintaucht, ist es ja auch in der Regel sehr spannend. Wenn ich auf eine Konferenz fahre, dann ist das manchmal wie ein Ausflug in ein Paralleluniversum. Da sitzen dann zum Beispiel zweihundert Wissenschaftler
und machen sich drei Tage lang Gedanken darüber, wie man Brot verbessern kann. Ich esse jeden Tag Brot und habe noch nie darüber nachgedacht, dass man über Brot so viel forschen kann, wie viele Gedanken dahinterstecken. Das zeigt mir, wie begrenzt meine eigene Lebensrealität ist, und manchmal relativiert das auch meine kleinen Alltagsprobleme.
Eine Zeit lang habe ich auch für eine Regierungsbehörde gearbeitet. Das war eine spannende Zeit, vor allem, weil ich da viele Dinge mitbekommen habe, die normalen Bürgern natürlich verborgen bleiben, bei Staatsbesuchen zum Beispiel. Da war ich dann hautnah dabei, und man merkt als Dolmetscher gleich, ob sich da zwei Menschen wirklich was zu sagen haben. Ob die nur mit nettem Small Talk den Fototermin absitzen und sich darüber austauschen, wie der Flug war und wie das Hotel ist. Oder ob sich da zwei schon kennen und mögen und sich nicht nur treffen, weil das Protokoll es so vorgibt. Die wirklich wichtigen, konkreten Dinge werden ja in der Regel von den Mitarbeitern in den einzelnen Fachgremien ausgehandelt.
Politisches Dolmetschen ist nicht jedermanns Sache und geht auch mit einer gewissen Entzauberung einher. Als Kind dachte ich immer, die Menschen, die unser Land regieren, müssen selbstverständlich cleverer sein als der Rest. Das relativiert sich schnell in so einem Job, und man stellt fest: Das sind auch nur Menschen, die haben sich eben diesen speziellen Beruf ausgesucht. Und so wie es gute und schlechte Bäcker gibt, gibt es auch gute und schlechte Politiker.
Jeder möchte natürlich von mir wissen, ob mir schon mal was richtig danebengegangen ist. Und ich muss alle enttäuschen: Bisher hatte ich noch keine Aussetzer oder gravierenden Fehler, die zu Tumulten oder schlimmen Missverständnissen geführt hätten oder gar die Kommunikation hätten zusammenbrechen lassen.
Das Schlimmste, was mir mal passiert ist: Bei einer Pressekonferenz wurde immer wieder die langjährige Kooperation und Partnerschaft beschworen, und beim fünften Mal partnership hatte ich wohl schon einen Knoten in der Zunge. Jedenfalls ist mir stattdessen partnershit rausgerutscht - »Partnerscheië. Mir war das unglaublich peinlich, aber alle anderen haben herzlich darüber gelacht.
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In Deutschland sind Dolmetscher für 86 Sprachen registriert - von Afghanisch bis WeiÃrussisch. +++ Das Einstiegsgehalt eines Dolmetschers mit einem Universitätsabschluss liegt bei rund 2 200 Euro. Von den 6 500 Mitgliedern des Bundesverbandes der Dolmetscher und Ãbersetzer sind 5 000 Frauen. +++ Die Technik des Simultandolmetschens wurde erstmalig bei den Nürnberger Prozessen eingesetzt. +++ Die wohl berühmteste Dolmetscherin der Geschichte ist die Aztekin Malintzin, die für den Eroberer Hernán Cortés dolmetschte und in Mexiko als »Verräterin der Ureinwohner« gilt.
»Den ganzen Tag über denke ich an die Stückzahl.«
Gertrud, 54 Jahre, FlieÃbandarbeiterin, erzählt, wie sie mit viel Ehrgeiz einen eintönigen Arbeitstag übersteht.
I ch setze mir am FlieÃband immer ein Ziel, etwas, worauf ich hinarbeiten kann. Wenn ich in einer Stunde achtzig Teile geschafft habe, dann sage ich mir: So, und in der nächsten Stunde schaffst du dreiundachtzig. Und wenn ich es schaffe, macht mich das glücklich. Das sind meine kleinen Erfolgserlebnisse, das hilft mir, motiviert zu bleiben.
Meine Kollegen lachen mich schon aus, weil ich ständig nachfrage, wie viel Stück schon durch sind. »Warum musst du das so genau wissen?«, fragen sie dann. Aber für mich funktioniert das gut, ich bin eben ein ehrgeiziger Mensch. Und so wird mir bei der Arbeit auch nicht langweilig.
Ich arbeite in einer Fabrik, die Autozubehör herstellt, Gurtstraffer zum Beispiel. Früher war die Arbeit eintöniger, da stand man wirklich den ganzen Tag an derselben Linie und hat nur einen Arbeitsgang gemacht, immer die gleichen drei Handbewegungen, bei Stückzahlen von bis zu eintausendachthundert an einem Tag. Heute achten
sie darauf, dass man immer mal die Linie wechselt und nicht immer nur dasselbe macht. Also erst etwas nähen und dann vielleicht noch etwas montieren. Man kann
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