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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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Jahre gearbeitet, sechzehn Jahre hier
in der Firma, und dann bleibt nur Hartz IV, mit Mitte fünfzig nimmt mich doch keiner mehr.
    Ich bin schon stolz auf das, was ich leiste. Zu wissen, dass Produkte, die durch meine Hände gegangen sind, in der ganzen Welt verwendet werden. Vor ein paar Jahren haben mein Mann und ich uns mal ein neues Auto gekauft, einen Golf. Und da konnte ich am Kontrollzettel sehen, dass ich einen der Gurte in dem Auto genäht hatte. Da war ich richtig stolz.
    Â 
    1913 wurden in der Automobilfabrik Henry Ford in Detroit die ersten Fließbänder installiert. +++ Nach dem Zweiten Weltkrieg begann das Zeitalter des Massenarbeiters: Ingenieure versuchten, jede überflüssige Sekunde aus dem Arbeitsprozess herauszupressen. +++ Aus dieser Zeit stammt das geflügelte Wort »Akkord ist Mord« +++ In seinem Film »Moderne Zeiten« aus dem Jahre 1936 zeichnete sich Charlie Chaplin im Räderwerk der Industriemaschinerie - eine Kritik an der unmenschlichen Arbeitswelt seiner Zeit. +++ Das Beschäftigen von werdenden oder stillenden Müttern am Fließband oder in der Akkordarbeit ist wegen der hohen Arbeitsbelastung verboten.

»Bei diesem Job fällt jede Distanz.«
    Anna, 23 Jahre, Depiladora, erkennt ihre Kunden an Tattoos und Intimpiercings und zaubert auf Wunsch auch Initialen ins Schamhaar.
    A ls ich vor ein paar Jahren angefangen habe, in einem Waxing-Studio zu arbeiten, haben viele meiner Freunde erst mal groß geguckt und gefragt: » WAS machst du da? Du enthaarst den ganzen Tag Intimzonen?«Für mich ist es ganz normal, ich bin sowieso kein Mensch, der Berührungsängste hat. Und inzwischen habe ich es schon tausendmal gemacht, bei Männern und bei Frauen: Alle Schamhaare weg oder einen Streifen stehen lassen, ich kann auch spezielle Formen ins Schamhaar zaubern: Herzen, Blitze, Kussmünder oder auch die Initialen des Liebsten, wenn man das möchte. So was wird vor allem zum Valentinstag oder vor Weihnachten oft gewünscht.
    Wenn die Leute das erste Mal kommen, sind sie oft supernervös. Viele haben Angst, dass es höllisch wehtut, und kommen sich komisch vor, auf einer Liege zu liegen und sich zwischen den Beinen rumfummeln zu lassen. Ich plaudere dann einfach, viele entspannen sich dann
auch, wenn sie merken: Für mich ist das völlig normal und alltäglich. Ich trage das Wachs auf, lasse es hart werden. Durch die Wärme öffnen sich die Poren, und dann ziehe ich das harte Wachs mit den Haaren wieder ab. Natürlich ist das schmerzhaft, aber viel weniger, als die meisten glauben. Und hinterher sind alle immer total glücklich über das Ergebnis.
    Klar, es gibt auch manchmal welche, die sich gar nicht locker machen können. Die wollen ein Intim-Waxing, dabei aber bitte den Slip anbehalten. Kann ich schon machen, versaut denen nur total die Unterwäsche.
    Wir enthaaren natürlich auch alle anderen Körperstellen, Brust, Rücken, Arme, Beine, was eben so gewünscht ist. Auch Nasen- und Ohrenhaare entfernen wir. Viele Männer kommen mit einem Gutschein, den sie von ihren Frauen zum Geburtstag geschenkt bekommen haben, ein ziemlicher Wink mit dem Zaunpfahl, würde ich sagen.
    Es gibt Sportler - Schwimmer und Radfahrer zum Beispiel -, die sich grundsätzlich alle Haare wegmachen lassen. Dann gibt es die Metrosexuellen, die einfach sehr auf ihren Körper achten. Und ab und zu haben wir auch Männer hier, die am ganzen Körper behaart sind und den Pelz komplett weghaben wollen. Das dauert dann bis zu drei Stunden.
    Unsere jüngsten Kunden sind so um die vierzehn, die brauchen natürlich eine Einverständniserklärung der Eltern. Und die wollen in der Regel einen totalen Kahlschlag, alle Haare weg. Ist eben im Moment so Mode. Ältere Frauen lassen gern ein Dreieck stehen oder einen
Streifen, die wollen nicht mehr aussehen wie kleine Mädchen. Und auch den Männern soll das angeblich besser gefallen, wenn da noch ein paar Haare sind. Unsere älteste Kundin ist über achtzig. Die kommt regelmäßig und erzählt auch, welche Männer sie gerade neu kennengelernt hat. Ich finde es toll, wenn jemand auch im Alter noch Wert auf so was legt.
    Natürlich erfahre ich viele private Dinge von meinen Kunden. Bei diesem Job fällt jede Distanz, und da erzählen mir die Leute wirklich ihre halbe Lebensgeschichte, ihre Sorgen, ihre neuesten Liebesabenteuer. Manche telefonieren auch

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