Wir sind bedient
das ist alles hochgiftig. Manche Blumen müssten eigentlich über Sondermüll entsorgt werden. Ich bin Asthmatikerin und kann bestimmte Blumen schon seit Jahren nicht mehr im Laden haben, weil ich die Chemie regelrecht in der Luft schmecke.
Deshalb bekomme ich meine Ware entweder von einem befreundeten Bauern oder von zertifizierten Händlern, die nicht spritzen. In Ecuador und Südafrika, wo viele Blumen herkommen, arbeiten auch viele Kinder auf den Feldern. Im Fairhandel werden die wenigstens anständig bezahlt, bekommen eine Krankenversicherung und eine warme Mahlzeit. Viele wollen so was lieber nicht wissen und fragen gar nicht erst danach. Aber diese verseuchte, mit Licht und Wärme gepushte Hollandware biete ich nicht an.
Zum Glück geht der Trend immer mehr zu natürlichen SträuÃen, so mag ich sie auch am liebsten. Der Feld-Wald-Wiesen-Strauà sieht auch einfach schöner aus. Verdienen kann man mit diesen KunststräuÃen natürlich mehr, da muss erst mal aufwendig ein Bett gemacht werden mit Zweigen und Ranken, Efeu und Grünzeug, ist natürlich toll. Aber es sieht eben nicht aus, als hätte man es aus dem Garten geholt. Und gerade die Ãlteren, die früher mal einen eigenen Garten hatten, die wissen das zu schätzen.
Persönlich hätte ich natürlich gern einen Garten, aber ich hab einfach keine Zeit dazu. Um sechs Uhr früh bin ich auf dem GroÃmarkt, dann buckel ich die Blumen in
den Laden, mache um acht Uhr auf. Dann ist der Laden offen bis achtzehn Uhr, und vor zwanzig Uhr bin ich nicht zu Hause. Da noch nebenher einen Garten pflegen, das geht nicht. Aber Spaà hätte ich da schon dran, mit ein bisschen mehr Zeit. Ich zupfe auch gern Unkraut, mit einer schönen Tasse Kaffee in der Hand. Das glaubt mir zwar keiner, aber ich finde das sehr gemütlich.
Blumen mochte ich schon immer. Mein Vater hat uns früher beim Gartenumgraben die lateinischen Blumennamen repetieren lassen. Damals habe ich ihn dafür gehasst, heute denke ich: Danke, Papa! Wir sind nie durch den Wald gekommen, ohne dass wir mit geschlossenen Augen Rinde anfassen und den Baum erraten mussten.
Blumenhändlerin bin ich aber erst nach der Wende geworden. In der DDR hatte ich Kinderkrankenschwester gelernt, das war aber nie mein Ding, weil mir die Hierarchie im Krankenhaus nicht lag. Dann habe ich bei der DDR-Reichsbahn gearbeitet, aber nach der Wende war da auch Schluss. Dann habe ich mich mit meiner Schwester hingesetzt und überlegt: Was können wir, was wollen wir, was ist realistisch? Ich hatte eine kleine Abfindung bekommen, und die wollte ich investieren, also haben wir den Laden aufgemacht. Wir haben es einfach mal probiert, auch wenn das nicht so leicht ist, wie es aussieht. Ich habe stundenlang mit Mikadostäbchen Blumenbinden geübt, bis ich es konnte.
Jetzt sitze ich am liebsten an einem kleinen Tisch vorm Laden, das ist mein KKP - mein »Kiezkommunikationspunkt«. Viele Alte kommen und halten mal ein Schwätzchen,
und natürlich nehmen wir auch mal einen Schlüssel an und gehen die Katze füttern oder Post holen. Und das macht SpaÃ, das würde ich ums Verrecken nicht wieder aufgeben wollen für einen Bürojob, wo ich nie mit irgendwem quatschen kann.
Das Einzige, was nervt, ist der ständige Ãberlebenskampf. Dass man immer knapsen muss und nie auf einen grünen Zweig kommt, obwohl man schuftet wie eine Hafennutte. An jeder Ecke gibt es inzwischen einen vietnamesischen Blumenstand, die verhökern die Blumen noch unter Einkaufspreis. Manche setzen sich auch mit einem Klappstuhl und spottbilligen Blumen in Eimern auf die StraÃe, direkt vor die Blumenläden, bis die pleite sind. Und die haben meistens keine Ahnung, was sie da tun, die wissen nichts über Blumen.
Ich bin sicher, dass das zum Teil auch mafiöse Strukturen sind. Ich seh die doch auf dem GroÃmarkt, wie sie mit dicken Päckchen Bargeld bezahlen, und die armen Mädchen, die in den Blumenläden schuften, haben die Augen blau gehauen. Viele müssen wahrscheinlich noch ihre Ãberfahrt abbezahlen. Die nutzen die Läden vielleicht für Geldwäsche und verticken da nebenbei noch Zigaretten, was weià ich.
Und die SträuÃe sind doch zum Gotterbarmen, da wird eine Strelizie mit einer Sonnenblume zusammengepappt, furchtbar! Aber die Leute sagen: »Oh, was für eine Kombination!«, »Oh, was für günstige Preise!« Und
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