Wir sind doch Schwestern
beruhigte sie sich. Im Gegenteil. Holte sie das arme Mädchen nicht aus ihrem Elend? Dass ihr selbst das auch einige Vorteile verschaffte, war sicher nicht schlimm. Es wäre für alle Beteiligten eine glückliche Lösung.
Einige Tage später hatte sie Heinrich von Anna Maria Bruhr erzählt und in den höchsten Tönen von ihr geschwärmt. Eine von Grund auf gute, zuverlässige und liebenswerte Frau, noch im gebärfähigen Alter, aber eben kein ganz junges Mädchen, denn das würde ja zu ihm, Heinrich, gar nicht passen. Heinrich hatte sich wenig interessiert gezeigt, sodass Katty schon in Sorge war, er könne Bedenken haben. Tatsächlich hatte er im Anschluss an Kattys Beschreibung sogar kurz gefragt:
»Glauben Sie, dass Fräulein Bruhr die Richtige für mich ist?«
»Absolut«, hatte Katty im Brustton der Überzeugung geantwortet.
»Dann machen Sie doch bitte einen Termin, damit wir uns kennenlernen und alle weiteren Formalitäten klären können.« Katty hatte daraufhin einen Termin für den heutigen 27. Januar festgelegt. Es war ein sehr geschäftliches Treffen geworden. Auch Anna Marias Bruder und dessen Ehefrau hatten mit am Kaffeetisch gesessen. Die beiden hatten sich ganz besonders bemüht, einen guten Eindruck zu hinterlassen, denn sie witterten ihre Chance, den ungeliebten Dauergast loszuwerden.
Es war nicht so, dass Heinz Bruhr seine Schwester nicht mochte, es war nur schwierig, wenn sich zwei Frauen einen Mann und einen Haushalt teilten, davon schien er ein Lied singen zu können. Und so war er es auch, der bei dem offen geführten Werbegespräch nach Kattys Verbleib auf dem Hof fragte. Überraschenderweise war es Anna Maria, die antwortete und Katty dabei kräftig zuzwinkerte.
»Ach, wer weiß das schon, vielleicht ist Katty ja noch vor mir unter der Haube.«
Heinrich riss den Kopf herum.
»Wie darf ich das verstehen?«
Hinter Kattys Schläfe pochte es und kleine Schweißtropfen bildeten sich auf Oberlippe und Stirn.
»Na, der Herr Zahnarzt hat es unserer Katty schon ganz schön angetan«, neckte Anna Maria in ihrer kindischen Art.
»Das ist doch nicht der Rede wert«, wehrte Katty ab und wurde unter Heinrichs durchdringendem Blick rot, was alle anderen als Beweis ihrer Verliebtheit in den Zahnarzt deuteten. Vielleicht gar nicht schlecht, dachte Katty, ein angeblicher Verehrer hilft mir, das Gesicht zu wahren. Dieser Zahnarzt würde noch eine Weile im Gespräch bleiben, entschied sie.
Das Thema »Katty und der Tellemannshof« war somit als potenzielles Ehehindernis aus der Welt geschafft, und alsHeinrich irgendwann leise fragte: »Aber Sie werden uns doch auf dem Hof erhalten bleiben, liebe Katty!«, schaute einzig Anna Marias Bruder skeptisch, Anna Maria selbst klatschte Beifall.
»Natürlich, Katty, das musst du mir versprechen. Bitte, bleib.«
»Freiwillig werdet ihr mich jedenfalls nicht los. Da macht euch mal keine Sorgen!«, erwiderte sie.
Heinrich hatte bald darauf den Besuch für beendet erklärt. Er hatte darauf gedrungen, dass sich alle Beteiligten noch einmal ehrlich befragten, ob an dieser Ehe gleichermaßen Interesse wie Wunsch bestünde. Er werde in diesem Falle baldigst um die Hand des Fräulein Bruhr anhalten.
Und nun saßen sie schweigend im Auto. Sie waren über Wesel, Perrich und Werrich gefahren, durch Ginderich übers Eyland. Heinrich liebte dieses Fleckchen Erde, die Bislicher Insel war eingerahmt von alten Rheinarmen, sie war besonders fruchtbar und ein Paradies für Jäger. Sie passierten gerade die Stelle, an der die Alliierten vor neun Monaten über den Fluss marschiert waren. Normalerweise hielten Katty und Heinrich kurz an, wenn sie hier vorbeikamen, und stiegen aus. Heinrich befand die Stelle eines Dankgebets für würdig und legte darauf jedes Mal großen Wert. Diesmal allerdings raste er vorbei.
»Was ist los?«, fragte Katty verblüfft.
»Warum?«
»Na, weil Sie am Übergang vorbeigefahren sind.«
»Was? Ach, ich war in Gedanken, entschuldigen Sie. Soll ich wenden?«
»Nein«, antwortete Katty, »nicht nötig. Sie haben sicher über Fräulein Bruhr nachgedacht. Wie gefällt Sie Ihnen denn?«
»Gut, sehr gut«, sagte Heinrich ohne große Euphorie und fügte hinzu: »Sie hat genau die richtige Herkunft, ist ansehnlich, und der Altersunterschied ist auch akzeptabel. Das habenSie gut gemacht. Schön, dass Sie beide sich so gut verstehen. Das ist mir sehr recht.«
Katty hätte sich statt der nüchternen Analyse etwas mehr Begeisterung gewünscht, aber
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