Wir sind doch Schwestern
Ehemann, oder etwa nicht?«
Katty schaute Heinrich an und begriff immer noch nicht. Da von Heinrich keine brauchbare Reaktion kam, ging sie in Verteidigungsstellung: »Ich habe deinem Ehemann lediglich Gelonida und Phanodorm mitgegeben, damit er gut schlafen kann und ihr etwas dabeihabt, falls ihr euch erkältet. Sonst nichts. Ich wollte verhindern, dass er in der Nähe von Theodors Grab traurig wird und dass eure Flitterwochen von einer Grippe gestört werden, jetzt, um diese Jahreszeit. Und von allem anderen weiß ich nichts«, schloss sie und verschränkte wütend die Arme vor der Brust.
Anna Marias Mund stand offen, sie war ganz blass geworden. Dann schlug sie die Hände vors Gesicht.
»Oh mein Gott, ist mir das unangenehm. Ich schäme mich so, bitte verzeiht mir.«
Heinrich nahm ihr die Hände vom Gesicht. Dabei fiel sie auf die Knie und umklammerte Kattys Beine. Heinrich zog sie wieder hoch.
»Ist schon gut, Liebes. Du hast da etwas falsch verstanden. Nun gib deiner Schwester einen Kuss und dann vergessen wir diese Szene.«
Anna Maria tat, was Heinrich ihr vorgeschlagen hatte, und Katty spürte, wie sehr es sie traf, als ihr Mann sich ihr anschloss und Katty ebenfalls liebevoll küsste. Auf die andere Wange. »Danke, dass du hiergeblieben bist«, sagte er und Katty hatte keine Idee, worauf er sich bezog, ob auf die Flitterwochen, die Evakuierung oder etwas völlig anderes. Und am heutigen Tag legte sie auch keinen Wert mehr darauf, dieses Rätsel zu lösen.
20. April 1947
Die zwei Frauen des Heinrich Hegmann
Endlich wurde auch in Nordrhein-Westfalen gewählt. Heute war der große Tag, und Katty hatte sich herausgeputzt, so stolz und glücklich war sie. Sie fühlte sich fast, als würde sie selbst zur Wahl stehen. Heinrich war für die CDU aufgestellt, und Katty hatte keinen Zweifel daran, dass er es in den Landtag schaffen würde. In den ersten beiden Parlamenten war er als Abgeordneter vertreten gewesen, weil die Briten ihn ernannt hatten. Diesmal aber würde er vom Volk gewählt. Katty hatte keine Mühen gescheut, um vor allem den Bauern einzubläuen, dass sie an diesem Sonntag zur Stimmabgabe gehen mussten und wo ihr Kreuzchen gut angebracht war.
Und so gingen sie nun zu dritt den kurzen Weg vom Tellemannshof zur Kirche. Heinrich in der Mitte, eine mittlerweile gewohnt übellaunige Anna Maria zu seiner Rechten und Katty, in alle Richtungen grüßend, an der linken Seite des künftigen Abgeordneten.
Heinrich sah müde aus, vermutlich hatte Anna Maria ihn wieder nicht schlafen lassen. Diese Frau, dachte Katty, welch ein Fehlgriff. Gertrud hatte leider recht behalten, Anna Maria hatte sich als unzufrieden und unberechenbar entpuppt. Tatsächlich reichte es Anna Maria offenbar nicht, Status und Wohlstand von ihrem Ehemann zu bekommen, sie wollte Liebeund Romantik, und der Mangel daran schlug immer mehr in Verbitterung und Eifersucht um. Ständig machte sie Heinrich Vorhaltungen, er würde sich zu wenig um sie kümmern, sie zu wenig beachten, Katty dafür zu viel Aufmerksamkeit zollen. Wie sie ihm denn einen Erben schenken solle, wenn er sich immer nur mit anderen Frauen abgebe, hatte sie ihn neulich wütend gefragt. Es hatte inzwischen mehrere hässliche Streitereien und Eifersuchtsszenen gegeben. Neujahr hatte Anna Maria erbost erklärt, sie könne nicht länger akzeptieren, dass man im Dorf ganz ungeniert von den »zwei Frauen des Heinrich Hegmann« rede.
»Du weißt doch, wie die Leute sind, die zerreißen sich über alles und jeden den Mund«, hatte Katty sie zu beschwichtigen versucht.
Aber es hatte nichts genützt. Anna Maria war gallig und irrational geworden. Ob sie es nicht tatsächlich irgendwo im Dorf hinter der Kirche oder in der Scheune trieben, hatte sie allen Ernstes gefragt, und Katty hatte sie gescholten, sie solle sich nicht benehmen wie eine rasende Furie. Dann hatte Anna Maria noch über den verdorbenen Silvesterabend lamentiert: »Kein Wort hat er mit mir gewechselt. Die ganze Zeit hat er sich nur um dich gekümmert. Er hat dir sogar den ersten Neujahrskuss gegeben. Nicht mir, seiner Ehefrau.« Dabei waren ihr die Tränen gekommen.
Im Grunde fand Katty so ein Gejammer anmaßend. Warum glaubten diese Frauen nur, dass ihnen alles auf einmal zustünde? Sie selbst gab sich doch auch damit zufrieden, Heinrich in der Politik zu unterstützen. Und angesichts der spannenden Ereignisse des heutigen Tages konnte sie dafür recht gut auf Liebe und Romantik verzichten. Und obwohl sie Anna
Weitere Kostenlose Bücher