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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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gedämmert, dass auf Dauer nicht beide Frauen auf dem Hof bleiben konnten.
    Eine muss weg, dachte Katty jetzt, oben an der Orgel sitzend, und das würde nicht sie sein. Sie spürte, dass heute der nächste Krach in der Luft lag. Es würde vermutlich der entscheidende sein. Bei dem Gedanken daran wurde ihr unbehaglich zumute. Beim letzten Streit war es schon hart an der Grenze gewesen. Vor drei Wochen hatte sie Heinrich noch ermutigt, Anna Maria zurückzuholen, als diese theatralisch den Hof verlassen hatte, beim nächsten Mal würde sie das nicht mehr tun.
    Ende März hatten Heinrich und Katty Landwirte aus der Umgebung eingeladen, es standen schließlich die Wahlen vor der Tür. Heinrich wollte ihnen erklären, was die CDU vorhatte und warum es sich lohne, zur Wahl zu gehen. Manche von ihnen waren nämlich erbost darüber, dass sie noch immer keine Entschädigung bekommen hatten für das Vieh, das im Zweiten Weltkrieg von den Nazis beschlagnahmt worden war. Sie verlangten, dass irgendjemand das Fleisch bezahlen sollte. Stattdessen allerdings erwartete man von ihnen sogar noch, dass sie zusätzlich Fleisch spendeten, weil so viele Menschen Hunger litten. Der Winter 1946/47 war bitterkalt geworden, und in Berlin und in anderen Teilen Deutschlandswaren viele Menschen erfroren oder verhungert. Obwohl der Niederrhein ebenfalls durch den Krieg verwüstet worden war, gab es genug Platz auf den Höfen, auch für diejenigen, die ohne Obdach waren. Es gab Wälder, um Feuerholz zu schlagen, und genug Vieh und Getreide in den Ställen und Scheunen, um die Menschen zu ernähren. In den Städten war das anders. Es fehlte an Wohnungen, Arbeit und Geld. Und selbst wenn es Geld gäbe, es wäre nichts Essbares in den Läden zu finden. Darüber wollte Heinrich die Bauern aufklären, er wollte an ihre Nächstenliebe appellieren, ihnen vor Augen führen, dass noch mehr Menschen sterben müssten, wenn die Landwirte nicht bereit wären zu teilen, und ihnen damit zu verstehen geben, dass niemand in Deutschland in der Lage war, ihren Verlust zu bezahlen. Er fürchtete, dass die Bauern sonst der CDU , die derzeit im Landtag die Mehrheit hatte, zürnen und wieder das Zentrum wählen könnten. Die Bauern am unteren Niederrhein waren fast alle katholisch, und so lag es nahe, dass sie die Partei wählten, die ihrer Konfession entsprach und die im Moment für nichts verantwortlich war. Heinrich und Katty wussten, dass man sie nur durch ein persönliches Gespräch würde überzeugen können. Katty, Heinrich und sogar Anna Maria waren perfekte Gastgeber, und am Ende bekundeten alle Bauern, sie würden Heinrich ihre Stimme geben und jeder von ihnen würde weiteren Bauern davon erzählen. Die Herrin des Hauses bemühte sich redlich, sie wich ihrem Ehemann bis kurz nach Mitternacht nicht von der Seite, dann aber verabschiedete sie sich und ging zu Bett. Einige der Bauern dagegen bewiesen echtes Sitzfleisch. Als der letzte aus dem Haus torkelte, wurde es schon fast wieder hell. Katty und Heinrich hatten den ganzen Abend über kaum etwas getrunken, und so setzten sie sich noch zusammen, genehmigten sich einen Schnaps und besprachen den Verlauf des Abends.

    »Ich werde heute Nacht in deinem Zimmer schlafen«, verkündete Heinrich auf einmal, »ich will Anna Maria nicht wecken.«
    »Das kannst du nicht machen. Sie wird morgen früh fuchsteufelswild werden, wenn sie dich nicht im Ehebett vorfindet.«
    »Katty, ich habe dieses ewige Geschrei so satt«, erwiderte Heinrich mit matter Stimme, er sah müde aus. »Ich habe Wichtigeres zu tun, als mich um eine hysterische Ehefrau zu kümmern.«
    Katty fühlte sich schuldig, schließlich hatte sie Heinrich das ganze Elend eingebrockt. Hätte sie nur gewissenhafter nach einer Ehefrau Ausschau gehalten. Ihr war es nicht unangenehm, dass Heinrich bei ihr im Zimmer schlafen wollte, sie hatten im Krieg immerhin einige Wochen lang ein Lager geteilt. Sie wollte aber, dass endlich Ruhe im Haus einkehrte.
    »Ich glaube nicht, dass es dem häuslichen Frieden zuträglich ist, wenn du in einem anderen als deinem eigenen Zimmer schläfst«, gab sie noch einmal zu bedenken, doch Heinrich war schläfrig und wischte ihre Einwände weg.
    »Es ist mir egal.«
    »Mir ist es aber nicht egal, schließlich lässt sie ihre Wut immer an mir aus«, entgegnete Katty.
    Heinrich tat, als würde Katty Allüren an den Tag legen, nicht vernünftige Einwände vorbringen.
    »Jetzt mach du mir nicht auch noch Ärger. Eine kapriziöse Frau im Haus

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