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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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Marias Tränen als Schwäche verurteilte, hatte sie Mitleid mit ihr, und sie hatte Heinrich ermahnt, er solle sich ein bisschen freundlicher und liebevoller verhalten. Jetzt blickte sie auf das Paarund wusste, dass es Heinrich nicht gelingen würde. Heinrichs große Leidenschaft war die Politik, und diese Leidenschaft teilte er nun einmal mit ihr, nicht mit seiner Ehefrau. Denn die interessierte sich eigentlich für nichts, und auch Katty ertappte sich dabei, dass sie sich kaum länger als ein paar Minuten am Stück mit Anna Maria beschäftigen konnte. Sie war einfach schrecklich langweilig, dachte Katty und schämte sich dafür. Vielleicht sollte ich sie trotzdem zu einem Lächeln bringen, überlegte sie, wie sieht es denn aus, wenn die Frau des Abgeordneten so mürrisch zur Wahlurne geht.
    »Ist das nicht ein wunderbarer Frühlingstag, Anna Maria? Sieh nur, wie schön die Osterglocken überall blühen.«
    Anna Maria schaute Katty nicht an, sie antwortete auch nicht.
    »Hast du nicht gehört, was Katty gefragt hat? So antworte ihr bitte«, reagierte Heinrich umgehend, und sein Ton verriet nichts Gutes.
    Katty wusste, sie würde jetzt eingreifen müssen. Heinrich konnte seine Frau nicht gut einschätzen, sie hingegen wusste, Anna Maria würde sogar auf offener Straße eine Szene machen. Und das konnten sie jetzt weiß Gott nicht gebrauchen.
    »Ach, Heinrich, nun lass mal. Du bist nervös wegen der Wahl, aber dafür kann Anna Maria nichts. Der Tag ist viel zu schön, um zu streiten.«
    In der Kirche angekommen, wollte Anna Maria vorne Platz nehmen, um dem Priester so nah wie möglich zu sein, doch als sie bemerkte, dass Katty und Heinrich wie gewohnt ihren Platz auf der Orgelbühne einnahmen, gesellte sie sich zu ihnen. Heinrich fasste sie fest am Arm und schickte sie wieder hinunter.
    »Ich will, dass meine Frau in der Kirche von allen gesehen wird. Deshalb ist es mir wichtig, dass du durch die Reihen gehst und ganz vorne betest, verstehst du? Sei so lieb undtu mir den Gefallen.« Anna Maria widersprach nicht. Sie bedachte Katty mit einem bösen Blick und ging wieder hinunter.
    »Du musst endlich aufhören, sie so zu provozieren«, flüsterte Katty Heinrich zu. Der hielt sich nur den Finger an den Mund. und zischte: »Sch!«
    Katty hatte in den letzten Wochen oft versucht, »gut Wetter zu machen«, wie das bei ihnen zu Hause genannt wurde. Ohne Erfolg. An Karneval hatte es eine weitere Szene gegeben, und seitdem verlangte Anna Maria ganz unverhohlen, Katty müsse vom Hof verschwinden, sie störe die ehelichen Beziehungen.
    Der Anlass für diesen Streit war banal gewesen. Anna Maria hatte zu Karneval ihren Bruder und seine Frau zum Kaffee eingeladen, und offenbar war dieses Kränzchen nicht in ihrem Sinne verlaufen. Dass sie dafür ausgerechnet Katty verantwortlich machte, war grotesk, denn sie war gar nicht zu Hause gewesen, sondern in Kamp-Lintfort bei Freunden auf einer Karnevalsfeier, wo sie auch übernachtet hatte. Es war spät geworden, und so war Katty erst gegen Mittag überhaupt aufgewacht.
    Kurz darauf stürmte Heinrichs Fahrer herein und berichtete, er habe den Auftrag, sie zu holen, die Familie von Frau Hegmann sei zu Besuch. Katty verstand sofort. Heinrich mochte Anna Marias Bruder inzwischen noch weniger leiden als zuvor. »Das rote Gesocks« nannte er ihn, wenn nur Katty es hören konnte, und ihm missfiel es ungemein, wenn der Schwager mit ihm über Politik diskutieren wollte. Also würde Heinrich muffelig und wortkarg sein, mutmaßte Katty, und undiplomatisch, wie er manchmal sein konnte, wohl zudem ständig fragen, wann Katty denn wiederkäme. All das war natürlich Wasser auf die Mühlen des Bruhr’schen Argwohns.
    Als sie auf dem Tellemannshof einfuhr, kam Heinrich ihr entgegengelaufen und begrüßte sie strahlend mit einem Kuss auf beide Wangen. Er hatte, so schien es, mit Eifersucht zukämpfen, wenn sie über Nacht wegblieb. Katty freute sich darüber. Auch wenn sie wusste, dass es für das eheliche Gefüge gefährlich war, so wollte sie trotzdem die wichtigste Bezugsperson für Heinrich sein, Ehefrau hin oder her, und es tat ihr gut, zu sehen, dass es daran keinen Zweifel gab. Heinrich forderte sie zur Eile auf, sie müssten sich an die Arbeit machen.
    »Lass mich wenigstens unsere Gäste begrüßen«, sagte sie, und als Anna Marias Bruder sie mit den bissigen Worten »Danke für Ihre Gastfreundschaft« empfing, ging ihr auf, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Und zum ersten Mal hatte auch ihr

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