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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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geheftet, ging sie zur ersten Bank. Dort waren für die Zeugen Plätze freigehalten. Als Nächster wurde der Pfarrer aus Bislich in den Zeugenstand gerufen. Er wurde dazu befragt, ob Heinrich Katty vor der Kirche geküsst habe und seine Ehefrau nicht. Der Pfarrer bestätigte das.
    »Ich muss gestehen, ich war durch diese Begrüßung unangenehm berührt.«
    Als die Richter nach einigen weiteren Fragen verkündeten, der Pfarrer bleibe unvereidigt, ging ein Lachen durch die Reihen und selbst Katty musste darüber schmunzeln. Ein Mann Gottes würde wohl kaum lügen, um eines seiner Schäfchen unschuldig geschieden zu sehen.
    Heinrichs Nichte Elise folgte, die würde zu ihren Gunsten aussagen, da war sich Katty sicher. Heinrich hatte sich seine Nichte vorgeknöpft, denn offenbar hatte sie vor Anna Marias Familie böse über Katty gelästert. Heinrich hatte ihr eingeschärft, dass sie für die Konsequenzen ihrer Lästerei haftbar gemacht würde, wenn es zum Äußersten käme. Jetzt kam es zum Äußersten und Elise hatte sicher mehr Angst vor ihrem Onkel als vor irgendwelchen Richtern.
    »Nein, ich habe die Hauswirtschafterin Katty Franken nie um Mitternacht aus dem Schlafzimmer des Beklagten kommen sehen, wenn die Klägerin nicht zu Hause nächtigte.«
    »Haben Sie dies der Klägerin gegenüber behauptet und sie ermahnt, nachts das Haus nicht mehr zu verlassen?« Elise blickte verstohlen zu ihrem Onkel. Dann sagte sie:
    »Nein, das ist nicht wahr.«
    »Ich beantrage, die Zeugin zu vereiden«, gab der Anwalt der Gegenseite zu Protokoll.
    Als Elise Koppers ihren Eid geschworen hatte, schrie AnnaMaria: »Du Lügnerin. Dafür gehst du in den Knast«, was die Zuschauer zu einem grotesken Lachen anspornte.
    Es ging immer so weiter. Es wurden die Hausangestellten vernommen, Metzger, Fahrer, Nachbarn und anwesende Gäste der Silvesterfeier zum Jahreswechsel 1946/47. Sie wurden gefragt, ob Heinrich bei der Feier in der Gaststätte Katty bevorzugt behandelt und seine Ehefrau ignoriert habe. Keiner von ihnen stützte die Behauptungen der Klägerin. Katty wurde ruhiger. Die Zuschauer dagegen, so hatte sie den Eindruck, waren von Zeuge zu Zeuge enttäuschter. Sie hatten sich noch weitere deftige Details erhofft.
    Nach der Mittagspause wurden weitere Nachbarn vernommen. Alle gaben zu Protokoll, sie hätten von einer ehewidrigen Beziehung zwischen Katty und Heinrich nichts bemerkt und man könne sich nicht erinnern, dass die Klägerin regelmäßig zurückgesetzt behandelt worden sei.
    Am Nachmittag schlossen die Richter die Beweisaufnahme. Der nächste Verhandlungstag würde erst im neuen Jahr stattfinden. Katty hatte kein Gefühl dafür, wie es gelaufen war. Sie ahnte, dass auch die Richter von den Vorwürfen zu Beginn der Verhandlung schockiert gewesen waren. Ob all die belanglosen Aussagen, die für Heinrich sprachen, stärker oder weniger stark gewichtet würden, vermochte sie nicht zu beurteilen. Entgegen ihrem Drang lief sie nicht gleich zu Heinrich und seinem Anwalt, sondern verließ wie die anderen Zuschauer ruhigen Schrittes den Gerichtssaal durch den großen Haupteingang.

30. März 1950
Lübke kommt
    »Liesel, du hast einen Fleck auf deiner Bluse. Geh und zieh dich um.« Kattys Nichten und Neffen standen aufgereiht wie die Orgelpfeifen vor ihr, und sie inspizierte die Kinderschar mit strengem Blick. Ausgerechnet die zehnjährige Tochter ihres Bruders Josef war mal wieder der Pechvogel. Sie hatte einen großen roten Tupfer am Kragen, vermutlich hatte sie von den Kirschen für den Nachtisch genascht. »Aber ich habe keine andere weiße Bluse«, gab das Mädchen kleinlaut zurück.
    »Herrje, dann nimm dir eine von deiner Schwester.« Katty war aufgeregt und entsprechend ungehalten, was ihr in dem Moment schon wieder leidtat, als sie sah, dass Liesels Augen verräterisch glänzten. Jetzt bloß kein Drama, dachte sie und tätschelte Liesel zur Sicherheit den Kopf.
    Christel, die kleine Schwester, meldete sich vorlaut zu Wort.
    »Aber ich trage meine weiße Bluse selbst.«
    Katty musste lachen. »Passt auf, ihr zwei. Ihr geht jetzt ins Bad und wascht den Kragen mit kaltem Wasser. Hört ihr, mit kaltem Wasser. Und wenn anschließend noch etwas zu sehen ist, streut ein bisschen Mehl drauf. Aber flott, beeilt euch, der Herr Minister kommt gleich.«
    Katty schaute sich die anderen Kinder an und war zufrieden. Sie sahen alle sehr adrett aus in ihren schwarzen Röcken oderHosen und den weißen Oberteilen. Bislang lief alles perfekt. Das

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