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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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Nationalsozialismus zerrissen worden war, obwohl die meisten Bauern gar nicht besonders politisch gewesen waren. Im Dorf hatte es nur zwei wirklich fanatische Nazis gegeben, der Rest hatte schlichtversucht, mit dem Leben klarzukommen. Die meisten Wardter Bauern waren dennoch oder gerade deshalb in die Partei eingetreten. Man hatte sich eine Parteinummer geholt, eine Hakenkreuznadel angesteckt und ansonsten die Arbeit auf dem Feld getan. Nur ein paar Landwirte hatten standgehalten und sich geweigert, der Partei beizutreten. Die waren natürlich schikaniert worden.
    »Frau Oymanns, weißt du, die war doch eben noch fast bis zum Schluss da«, erklärte Katty, mehr an Paula gerichtet, da die beiden Männer Frau Oymanns offensichtlich gut kannten, und unterbrach sich selbst im Redefluss: »Herr Pfarrer, die Geschichte müssen eigentlich Sie erzählen, da waren Sie doch selbst als junger Priester dabei.«
    Der Pfarrer schreckte hoch, anscheinend ging es ihm ähnlich wie Paula und er war in seine eigenen Gedanken vertieft gewesen. »Was, welche Geschichte?«, fragte er nun ein wenig indigniert.
    »Na, die der kleinen Oymanns’, also damals, als sie so etwa zehn Jahre alt war und zu Ihnen gekommen ist, weil sie ihren Vater anzeigen wollte«, beharrte Katty, und im zweiten Anlauf spurte der Pfarrer.
    »Ja, richtig. Sie wollte ihren Vater anzeigen. Zum Glück ist sie damit zu mir gekommen und nicht zur Gestapo gegangen. Ich habe sie gefragt, was los sei. Ihr Vater müsse nun endlich in die Partei eintreten, verlangte sie, alle Väter ihrer Freundinnen hätten schließlich so eine schöne Uniform. Erst nach einer Weile konnte ich das Kind beruhigen, und unter Tränen gestand sie, dass sie endlich wieder gute Noten schreiben wolle. Sie sei eine gute Schülerin und lerne fleißig. All ihre Hausaufgaben mache sie immer mit großer Sorgfalt, aber sosehr sie sich auch anstrenge, sie bekomme einfach keine guten Noten. Ihre Klassenkameradin dagegen sei faul und dumm und die bekäme immer eine Eins. Als Tochter einesbekennenden Unpolitischen hatte die kleine Oymanns keine Chance.«
    »Also, ich habe meine Noten nicht nach Parteizugehörigkeit vergeben!« Paula fühlte sich persönlich angegriffen. Immer wurde ihr Berufsstand bei solchen Geschichten in Sippenhaft genommen, ärgerte sie sich. Dabei waren die Noten ihr einziger kleiner Widerstand gegen die Naziherrschaft gewesen. Abgesehen davon hatte sie wenig Grund, besonders stolz auf ihr Verhalten zu jener Zeit zu sein. Sie war eine typische Mitläuferin gewesen, war nicht für die Nazis gewesen, hatte aber auch nicht aufbegehrt oder gar, wie Gertrud, ihr Leben riskiert, indem sie jemanden versteckte, selbst wenn derjenige das, wie sie ja jetzt wusste, gar nicht verdient hatte.
    »Natürlich nicht. Aber darum geht es jetzt gar nicht«, wehrte Katty ihren Einwand ab. »Wir wollten doch Heinz nur an einem Beispiel zeigen, wie zerrissen unser kleines Dorf war, bis in die Familien hinein. Es gab auch einige, die im Krieg standhaft gewesen sind und Nachteile erlitten haben. Und die wollten sich nach dem Krieg an den Parteigängern rächen.«
    Katty hatte nun wieder die volle Aufmerksamkeit der kleinen Runde. Der Schmied lauschte, weil er die alten Geschichten wirklich noch nie gehört hatte, der Pfarrer, weil er nicht noch einmal bei einer Unaufmerksamkeit erwischt werden wollte, und Paula, weil sie mit sich selbst gewettet hatte, wann und wie Heinrich ins Spiel kommen würde.
    »Die unpolitischen Bauern waren von den Nazis drangsaliert worden«, fuhr Katty fort. »Und als die Front näher rückte, bekamen sie das Elend von beiden Seiten ab. Denn auf den Höfen der Unpolitischen wurden die meisten deutschen Soldaten stationiert, sodass ausgerechnet sie zum bevorzugten Ziel der alliierten Bomben wurden.«
    Familie van Laack, so erzählte Katty weiter, hatte es besonders schlimm erwischt. Als die Panzer feuerten, schickte derBauer die Familie samt Mägden und Knechten in den Keller. Nur seine Frau ließ sich nicht davon abhalten, noch schnell zum Schafstall zu laufen, um den Tieren genügend Futter für ein paar Tage in den Trog zu werfen. Unseligerweise hatte ihre fünfjährige Tochter sich von der Hand des Kindermädchens befreien können. Die Bäuerin hatte den Stall gerade erreicht, als es einen ohrenbetäubenden Knall gab. Fünfzig Meter vom sicheren Keller entfernt flog der Schafstall in die Luft, mittendrin die Bäuerin. Ihre kleine Tochter wurde von der Wucht der Detonation durch

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