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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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tun.«
    »Ich habe es nicht übers Herz gebracht. Mehr als einmal habe ich mit den Tagebüchern vor dem Kamin gestanden, aber ich hatte das Gefühl, dass ich ein Stück Leben zerstöre, wenn ich sie hineinschmeiße.«
    Paula sah, wie Katty die Stirn runzelte und sie musterte.
    »Wovon redest du?«, fragte sie, und da erst bemerkte Paula, dass sie ihrer Schwester gerade ein Geheimnis verraten hatte. Schnell überlegte sie, ob sie Katty eine Ausrede auftischen sollte, dann entschied sie sich für die Wahrheit. Vielleicht war es wirklich das Beste, wenn endlich alles auf den Tisch kam.
    »Gestern hat mir Gertrud die ganze Wahrheit über Wolodomir Huth erzählt, heute kommst du mit dem verschollenen Aktenordner, und jetzt bin ich wohl dran. Nach Alfreds Tod hat man mir seine Tagebücher geschickt. Er hatte das in seinem Testament so festgelegt.«
    Paula machte eine Pause. »Ich hatte bis zu seinem Lebensende Kontakt zu Alfred.« Kattys Gesichtsausdruck war schwer zu deuten, Paula glaubte Ungläubigkeit, Unverständnis und Entsetzen abwechselnd zu erkennen.
    »Zu diesem …«, offenbar wusste Katty nicht, wie sie ihn nennen sollte »… Perversen, der unseren Peter auf dem Gewissen hat?« Jetzt war es raus. Und Paula wurde zum ersten Mal bewusst, dass Katty auf Alfred blickte wie Gertrud auf Heinrich. Und auch sie hatte am Anfang nur Ekel für Alfred übrig gehabt, bis sie verstanden hatte, dass er selbst mit seiner Neigung am meisten haderte.

    »So siehst du ihn«, antwortete sie deshalb, »und ich verstehe das sogar. Aber letztlich war er nur ein unglücklicher Mensch, der einen Fehler gemacht hat. Einen Fehler mit tödlichen Konsequenzen. Und glaube mir, auch er hat darunter gelitten. Gerade du solltest darüber nicht so unversöhnlich urteilen.«
    Katty sagte nichts. Vielleicht hatte auch sie die Parallele erkannt. Vielleicht aber schwieg sie nur, weil sie nicht fassen konnte, was Paula gesagt hatte. Doch im Grunde waren ihre Schwestern schuld daran, dass sie ihr Herz für Alfred nach dem Vorfall im Gewächshaus wiederentdeckt hatte. Immerhin hatten Katty und Gertrud ihr von einer Scheidung abgeraten, auch wenn das einzig aus Sorge um Paulas Stellung und das Ansehen der Familie geschehen war. Im Ergebnis aber war Paula bei Alfred geblieben, und sie hatten viel miteinander geredet. Was Alfred ihr damals schon erzählt hatte, bekam sie nach seinem Tod noch einmal schriftlich.
    »Ein Freund oder, wie würde man heute sagen, sein Lebensgefährte, hat mir Alfreds Tagebücher geschickt. Gott, wie lange ist das jetzt her? Alfred muss seine Erinnerungen und Gedanken zum Teil nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft aufgeschrieben haben.« Sie machte eine Pause und erwartete, dass Katty sie zum Erzählen ermunterte. Aber ihre Schwester sagte noch immer keinen Ton.
    »Willst du nicht wissen, was darin stand?« Sie hörte, wie Katty schluckte.
    »Na, wenn du mich so inständig bittest«, fuhr Paula fort:
    »In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs fing es an. Auch wenn er es vorher wohl bereits geahnt hatte, so wurde ihm erst in Kriegsgefangenschaft bewusst, wem seine wahre Liebe galt.«

1945–1947
Alfreds Kriegsgeheimnis
    Er war dem sicheren Tod mehrmals von der Schippe gesprungen. Bei der Schlacht um die Krim war er mit dem Leben davongekommen. Die Ukrainer hatten ihn gefangen genommen, und Alfred war heilfroh, dass er ausgeharrt und nicht versucht hatte, zu fliehen. Viele seiner Kameraden waren abgeknallt worden wie die Hasen, andere, die mit der Marine flüchten wollten, waren im Bombenhagel ertrunken. Die Ukrainer waren dagegen geradezu freundlich. Das Leben im Gefangenenlager war nicht üppig, aber er lebte und das war erst mal das Wichtigste. Doch nach gut zwei Monaten wurden sie aufgeteilt.
    Um die Gefangenen im Lager war anscheinend ein Streit entbrannt. Die gebeutelten Nationen schacherten um Genugtuung in Form von Arbeitskräften, und es ging dabei zu wie auf einem Viehmarkt. Schließlich fiel Alfred mit etwa zwanzig weiteren Wehrmachtssoldaten den Tschechen in die Hände. Sie hätten das schlechteste Los gezogen, hieß es, den Tschechen gehe es ausschließlich um Rache, sicherlich würden sie gefoltert und in Stücke gerissen. Aber Alfred war zu erschöpft, um sich noch zu fürchten. Er hatte gesehen, wie seine Kameraden erschossen wurden, wie plötzlich Körperteile durch die Gegend flogen, weil einer auf eine Mine getreten war. Es hatteMomente gegeben, in denen er sich wie ein Hasenfuß auf der Erde

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