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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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Revolution war besiegt. Das Standgericht arbeitete emsig. An die Generale von Oven und Möhl richtete der ehemalige Arbeiter und nunmehrige sozialdemokratische Reichswehrminister Gustav Noske folgendes Telegramm:

    »Für die umsichtige und erfolgreiche Leitung der Operationen in München spreche ich Ihnen meine volle Anerkennung aus und der Truppe herzlichsten Dank für ihre Leistung.«

    Jeden Abend spielten in den großen Bräuhausgärten die Musikkapellen der Regierungstruppen patriotische Lieder und Stücke und ernteten orkanartigen Beifall. Ich wartete auf nichts mehr als auf meine Verhaftung. Ich wünschte sie mir. Ich wußte endgültig wohin und zu wem ich gehörte.

XXVI
DER VORHANG FÄLLT

    Merkwürdig, mein Atelier war durchsucht worden und die Häscher forschten nicht weiter nach mir. Noch merkwürdiger, drüben wohnte doch der Herr von Bayrischen Kurier und brauchte mich bloß anzugeben; viele meiner Feinde wußten um meinen Verbleib, aber es geschah mir nichts. Am allermerkwürdigsten, eines Tages kamen sechs Soldaten und ein Offizier in die Holländervilla, weil, wie der letztere angab, hier Sektgelage abgehalten würden. Unschwer erkannten wir aus seinem Gebaren und Fragen, daß hier versteckte Revolutionäre sein sollten.
    »Und was ist mit dem da?« fragte der Offizier den Hausherrn und Marietta auf mich deutend.
    »Ich heiße Graf und wohne hier ... Hier ist mein Ausweis«, gab ich zur Antwort, »ich hab' nur dieses Arbeitsbuch ... Bäcker bin ich jetzt nicht mehr, ich bin Schriftsteller.« Der Offizier durchblätterte lässig meine Papiere und gab sie mir wieder.
    »Der Herr ist Dichter ... Er ist ein Freund von uns«, sagte auch Marietta resolut. Der Offizier ließ sich in das Zimmer führen, in welchem ich gewöhnlich schlief und meine Manuskripte hatte. Er sah einige Blätter auf dem Tisch durch, sagte nichts weiter und zog mit den Soldaten ab. Offenbar hatte ihn der Luxus der Villa überwältigt.
    »Die können dir gar nichts machen«, meinte Marietta, »du bist einfach unser Dauergast ... Wir sind Ausländer.«
    »Und wenn sie mir schon was machen ... Jetzt ist schon alles gleich«, brummte ich.
    »Stiesel!« warf sie beleidigt hin. Ich sagte nichts mehr. Meine Tage verliefen wie eine drückende Wartezeit. Dieser und jener Revolutionär kam. Ich brachte den Holländer dazu, den Flüchtenden Geld zu geben.
    Einmal suchte ich mein Atelier auf. Es war verschlossen wie immer. Nur die Bücher waren herausgerissen und die durchwühlten Schubladen standen offen. Ich wartete eine Zeitlang, ob mein Nachbar sich nicht bemerkbar mache. Es blieb still. Der Mann mußte weggegangen oder verreist sein. Gerne hätte ich ihn gefragt, was alles vorgefallen sei. Vergebens klopfte ich an seiner Tür. Später sah ich ihn als Bürgerwehrler laufen.
    Als ich wieder durch die zwei dreckigen Höfe ging, sahen mich einige Hausinwohner. Du bist auch einer von diesen roten Hunden, sagten deutlich ihre Blicke. Aber sie ließen mich gehen.
    Auf der Straße ging mir immerfort durch den Kopf: Jetzt wirst du verhaftet. Da! - Jaja, der Soldat kommt schon auf dich zu. Zugleich gespannt und gleichgültig war ich. Wenn der Mann vorüber war, fingen die gleichen Gedanken von vorne an. Trotzdem fiel mir nicht ein, nach Nymphenburg zurückzugehen. Es trieb mich herum, ich wurde nicht ruhig. Die Stadt hatte ein bösartiges Gesicht. An den Eingängen der öffentlichen Gebäude standen Maschinengewehre, Stacheldrähte waren gezogen oder sogenannte Spanische Reiter aufgestellt. Zwei schwerbewaffnete Posten tappten auf und ab. Das Militär herrschte. Überall streiften truppweise und einzeln Soldaten umher, ordenbesternte Offiziere gingen auf den Trottoiren oder fuhren in Autos vorüber, geschäftige Bürgerwehrler sah ich. Gewissermaßen unterirdisch ging die Verfolgung der Räteanhänger weiter. Eifrig suchte man nach Toller, Levine, Levien, Axelrod und den anderen Führern. Immer wieder tauchten kleinere und größere Züge Verhafteter auf, immer wieder lief ihnen alles nach, und das übliche Gekläffe hub an. Ängstlich, gleichsam mit verprügelten Mienen, schlichen da und dort einige Arbeiter. Wir wechselten Blicke und gingen schweigend aneinander vorüber. Jeder wußte sein Teil.
    Die Gefängnisse waren übervoll, die Erschießungen dauerten an. »Diese Wilden! Diese Hottentotten!« schimpfte am Marienplatz ein Herr und erzählte von den Zerstörungen der Kommunisten in der Polizei. Kurz vor dem Einmarsch hatten sie die meisten

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