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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Herbold
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anfangs täglich, dann eher wöchentlich, und mit der ersten Schwangerschaft hatte man sich stillschweigend auf so etwas wie »gelegentlich« geeinigt. Der Sex bestand aus wenigen eingespielten Handgriffen und dauerte so lange wie eine Werbepause. Und ehrlich gesagt fand sie ihn – bei aller Liebe – eher unspektakulär. Bestenfalls war er eine Mischung aus entspannend und gemütlich, schlimmstenfalls war es genervter Ich-bin-zwar-müde-aber-meinetwegen-Sex.
    Den hatte sie ja nun zum Glück auch schon lange nicht mehr gehabt. Aber was hinderte sie dann eigentlich, an frühere sexuelle Hoch-Zeiten anzuknüpfen? Frei und ungebunden war sie wieder. Und das Handwerkszeug – anregendes Weinschorletrinken, prickelnde Konversation, sanftes Kniereiben – müsste sie ja wohl noch draufhaben. Aber so sehr sie sich auch bemühte, einen one-night-stand-tauglichen Abend zu inszenieren, es fluppte einfach nicht mehr so richtig. Kinobesuche wurden grundsätzlich von drei Anrufen des Babysitters unterbrochen, weil Schnuffeltuch und Zahnbürste nicht auffindbar waren. Danach noch schnell ein nichtalkoholisches Getränk in der Kneipe an der Ecke, in der man aus Platzmangel leider stehen musste. Auch dort wollte sich dann partout keine erotikdurchtränkte Atmosphäre einstellen. Was vielleicht auch damit zusammenhing, dass sie alle zwei Minuten hektisch auf die Armbanduhr schaute, um ja nicht die Straßenbahn zu verpassen. Die Kinderbetreuung hatte nämlich morgen um 8 Uhr früh Berufsschule und war deshalb ohnehin nur unter Mühen zum Dienstantritt zu bewegen gewesen.
    Einmal ließ sich ein Mann dennoch nicht abschrecken, sondern trank brav gegen elf Uhr sein erstes Bier aus, um zusammen mit der Single-Mama im Laufschritt nach Hause zu traben. Was ihn natürlich sofort verdächtig machte: Hatte er es etwa selbst so nötig? Zu Hause fand sie dann aber trotz all seiner gut gemeinten freundlichen Übergriffe kein großes Vergnügen an dem Schäferstündchen. Denn schon der Umstand, dass die ganze Aktion tatsächlich auf eine knappe Stunde beschränkt werden musste, hatte das Vorspiel etwas holprig ausfallen lassen.
    »Ich möchte dich küssen.«
    »Ja bitte. Und wir können auch gerne Sex haben. Aber nur, wenn du dich beeilst.«
    Ultimativer Kuschelkiller war dann aber wohl ihre harte, aber faire Ansage, er könne hinterher selbstverständlich nicht über Nacht bleiben, sondern müsse noch vor 2 Uhr gehen, weil das erfahrungsgemäß die Zeit sei, wo das Kind aufwache, aus seinem Bett krabble und unter die Bettdecke von Mama gekrochen komme. Ein Wunder, dass der Typ sich nicht sofort, sondern erst nach dem Vollzug aus dem Staub machte.
    Die Nacht barg – wenn schon keine Orgasmen – so doch multiple Erkenntnisse: Sex mit fremden Männern macht nur Spaß, wenn man dem Anlass angemessen betrunken und verknallt ist. Wenn man aus Neugier auch mal mit zu ihm gehen kann, um dort morgens in Ruhe durch Nachttischschränkchen und Schreibtischablagen zu stöbern. Sprich: wenn man ein verantwortungsloser, selbstzentrierter, allein lebender Single ist. Wenn man das Gegenteil davon ist, nämlich eine Mutti mit wenig Zeit am Abend, wenig Platz im Bett und keinerlei Möglichkeit, die Nacht außer Haus zu verbringen, dann sollte man die Sache besser ein bisschen aufschieben. Oder doch noch mal die Wochenend- und Ferienbesuchsregelungen mit dem Kindsvater überdenken.
    Die Besuchszeiten wurden nicht verändert. Das könnte dem Verflossenen so passen. Dafür die Gesamttaktik. Sie entschloss sich, zukünftig in Sachen Geschlechtsverkehr nach dem Grundsatz »Sorge dich nicht, warte« zu handeln und für diese unpopuläre Position auch offensiv zu werben. Als am nächsten Dienstag die Rede auf unfreiwillige Liebespausen kam, reckte sie mutig den Kopf und sagte: »Ich spare mich übrigens auf. Für den Richtigen. Denn spätestens in 97 Jahren wird er kommen, mein geiler Prinz, wird die stachelige Rosenhecke meines Herzens durchhacken, den rostigen Keuschheitsgürtel aufsägen und mich französisch wach küssen. Und er wird zu mir sagen: ›Du bist keine vertrocknete, alte Backpflaume, sondern die Sexyste im ganze Land. Wer etwas anderes behauptet, der soll den harten Stahl meiner scharfen Lanze zu spüren bekommen.‹ Und dann werden wir sorglos vögeln – denn ich werde schon lange, lange jenseits meiner Menopause sein. Vorher muss ich mir nur dringend eine neue Matratze kaufen. Auf der alten bekomme ich sonst noch einen

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