Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
genau – Mama in der Zwischenzeit gelesen hatte, empfohlen wurde. Das klang ungefähr so: Niemand ist schuld, wir haben uns nur eben nicht mehr ganz so lieb wie früher, euch aber dafür umso mehr. Der Papa wohnt deshalb jetzt mal eine Weile woanders, kommt uns aber ganz, ganz oft besuchen und ihr könnt ihn auch immer anrufen, wenn ihr wollt. Und am Wochenende und in den Ferien machen wir ganz tolle Sachen zusammen.
Es war nicht mal gelogen. Mama wollte wirklich ruhig und vernünftig sein und eine sanfte Trennung hinkriegen – so wie damals die erste Geburt. Da hatte sie sich auch fest vorgenommen: keine PDA, keine Schmerzmittel. Sondern den Schmerz freudig begrüßen. »Weil dich jede Wehe deinem Kind ein Stück näher bringt.« Die freudige Wehenbegrüßung endete dann aber doch in spitzen Schreien, wüsten Beschimpfungen des Krankenhauspersonals und Kratz- und Beißattacken gegen den Erzeuger. Bis ein sichtbar sadistischer Oberarzt dem Spektakel durch einen beherzten Sprung auf ihren Bauch ein Ende machte.
Vielleicht war das ein Zeichen gewesen. Jedenfalls wollte es auch diesmal mit dem gezielten Wegatmen der Trennungswehen nicht so recht klappen: Nacht um Nacht lag die tagsüber ruhige und vernünftige Mama allein im leeren Bett und tat sich Leid. Schrecklich Leid. So Leid wie zuletzt mit 15, als ihr ihre viel versprechende, fünf Jahre ältere Kirchentagsbekanntschaft zwischen zwei Afrika-Workshops einen Korb gegeben und am gleichen Abend noch mit ihrer besten Freundin rumgemacht hatte. Was übrigens zu einem nachhaltigen Zerwürfnis nicht nur mit der Freundin, sondern auch mit dem Christentum führte.
Und jetzt wieder. Dreht der Typ sich einfach um und hat schon eine andere. Und Gefühle, für die er natürlich nichts kann. Wie ihr die Männer auf die Nerven gingen mit ihren emotionalen Kontrollverlusten. Und ihren Ausreden. Was für eine Schmach. Sitzen gelassen werden. Gut, vielleicht war sie in den letzten Jahren manchmal ein bisschen herrisch und maulig gewesen. Vor allem, wenn er drei Abende die Woche mit seiner Band proben, am Wochenende Fußball gucken oder »einfach mal wieder« seine »total nette« Ex-Freundin treffen wollte. Gut, sie hatte gelegentlich in seinen Taschen gewühlt und seine SMS-Eingänge kontrolliert. Trotzdem, das hier hatte sie nicht verdient. Wenn überhaupt, dann hätte sie sich trennen müssen. Und er hätte betteln müssen, dass sie bleibt: »Bitte gib uns noch eine Chance. Ich ändere mich auch. Und mache alles, was du willst und sagst.«
So hätte das laufen sollen.
Stattdessen hatte er schon ein neues Leben. Und sie konnte zusehen, wie sie die beiden Überbleibsel des alten ohne tief greifende Psychomacken durch die Pubertät brachte.
Das muss ein Irrtum sein, dachte sie, das kann nicht mein Leben sein. Das ist der falsche Film, in dem ich mich hier befinde. Ich wollte doch romantische Liebeskomödie, nicht düsteres Psychodrama. Sonnenschein wollte ich, lachende Gesichter, prächtige Kulissen, schlanke Körper in schönen Kostümen. Mein Leben sollte doch ausdrücklich keine abgedroschene Story werden – Mann verlässt Frau für eine andere, Frau bleibt verbittert zurück. Das ist doch eine Scheiß-Geschichte. Und abgesehen davon: Wie soll sie denn jetzt weitergehen?
Die Geschichte ging weiter, und zwar den Gang aller Fortsetzungen: Der erste Teil ist immer der beste, dann lassen Drehbuch und Darsteller von Episode zu Episode merklich nach. Nach Teil eins – »Schlaflos in Osnabrück« – und zwei – »Das fliegende Kinderzimmer« – begann der dritte Teil – »Eine verständnisvolle Affäre« – immerhin noch viel versprechend. Der männliche Protagonist versprach hoch und heilig, jeden Monat ganz viel Geld zu überweisen, viel mehr, als er laut Düsseldorfer Tabelle müsste. »Da musst du dir gar keine Sorgen machen. Ich lass euch nicht hängen.«
Die weibliche Hauptrolle versuchte für ihren Teil fair, gefasst und nicht nachtragend zu sein. »Das kriegen wir schon hin. Hauptsache, die Kinder verkraften das alles einigermaßen gut.«
Er konterte großherzig mit vollmundigen Versprechungen, was Kontinuität und Frequenz der väterlichen Betreuung anging: »Ich möchte die Kinder sooft es geht sehen. Wenn es dir recht ist, hole ich sie jedes Wochenende ab, und wenn du unter der Woche mal wegmusst, kannst du mich natürlich auch jederzeit anrufen.«
Aber dann rief sie an einem Montag an und erreichte ihn nicht. »Könntest du am Donnerstagnachmittag auf die
Weitere Kostenlose Bücher