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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Herbold
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Kinder aufpassen? Wäre wirklich dringend. Ruf mich bitte mal zurück.«
    Am Mittwoch ging eine fremde Frau an sein Handy. Am Donnerstag bedauerte er, ausgerechnet heute habe er leider überhaupt keine Zeit. »Tut mir jetzt echt Leid.«
    »Du hättest ja auch mal zurückrufen können.«
    »Du, ich war die ganze Woche so im Stress, da habe ich das total vergessen.«
    Seine Vergesslichkeit nahm von Monat zu Monat mehr zu. Vor allem am Monatsanfang schien er wahre Alzheimerschübe zu erleiden. Wieder ein Monatserster, wieder kein Geld auf ihrem Konto. Auch am 4. noch nicht, und am 7. immer noch nicht. Sie rief wieder an, wieder ging die Frau ans Telefon.
    Kühl: »Kann ich bitte Klaus sprechen.«
    Freundlich: »Der kann gerade nicht.«
    Unterirdisch frostig: »Er möchte mich bitte anrufen, wenn er wieder kann.«
    Weil er nur noch das Nötigste mit ihr reden wollte, was zum Teil wohl daran lag, dass sie wieder mit dem Schreien angefangen hatte, begann sie, indirekt Erkundungen über ihn einzuziehen. Über diverse Kanäle – im Klartext: über seinen besten Freund, den sie mit ihren herzzerreißenden Klagen in heikle Loyalitätskonflikte gestürzt hatte – erfuhr sie zum Beispiel, dass er sich ein neues Auto kaufen wollte.
    »Aber nur ein gebrauchtes natürlich. Mit großem Kofferraum. Weil Ka…«
    »Wehe, du sagst ihren Namen in meiner Gegenwart.«
    »Also, äh, weil sie doch so einen großen Hund hat.«
    Sie erfuhr außerdem, dass er mit neuem Auto und neuer Frau im Sommer zwei Wochen nach Südfrankreich fahren wollte. »Aber nicht dahin, wo ihr damals wart, sondern mehr Richtung Italien, glaube ich.«
    Danach wollte er offenbar in eine größere Wohnung umziehen – samt Hund und Frau, versteht sich. »Er will den Kindern da auch ein Zimmer einrichten, wenn sie am Wochenende oder in den Ferien da sind.«
    Sie erfuhr auch, dass ihm alles furchtbar Leid tue, dass er die Kinder über alles liebe, dass er ihnen niemals wehtun wolle. Aber das war Geschwätz und interessierte sie nicht. Viel mehr interessierte sie sich dafür, wo er Weihnachten zu verbringen gedenke und ob die mit dem Hund, deren Namen sie sich zu merken hartnäckig weigerte, in absehbarer Zeit eigene Kinder haben wolle. Die Weihnachtsfrage beantwortete ihr der Kindsvater monatelang ausweichend, um ihr dann am 23.12. per SMS mitzuteilen, er werde morgen zwischen 14 und 16 Uhr zur Bescherung kommen und danach wieder gehen. Die Kinderfrage beantwortete ihr eine gehässige Bekannte: »Ja, sie will unbedingt Kinder. Sie probieren wohl auch schon.«
    Zum Glück war die Quellenangabe der Bekannten nicht hundertprozentig glaubhaft. Sie hatte es angeblich von der Cousine der Freundin der Hundefrau gehört.
    Noch mehr Kinder – das würde er nicht wagen. Wo er doch schon für die vorhandenen kaum Zeit und angeblich zu wenig Geld hatte. Oder wagte er es doch? Immerhin war »die« offenbar Anfang dreißig, kinderlieb, aber noch kinderlos. Was das bedeutet, wusste man aus den Erfahrungen mit dem eigenen fortpflanzungswilligen Leib.
    All dieses Wissen bewegte sie des Nachts in ihrem Herzen. Während sie sich übrigens nicht mehr schlaflos im maßangefertigten Vollholzbett der geräumigen Maisonette-Wohnung, sondern auf einer unbequemen Schlafcouch in der 11 qm kleinen Wohnküche ihres neuen 2-Zimmer-Apartments wälzte. Und hier, zwischen Teflonpfannen und Basilikumtöpfchen, rüstete sie klammheimlich zum Gegenschlag. Brütete virtuelle Anschläge aus. Sprengte im Kopf Mann, Auto, Haus und Hund in die Luft. Schlitzte Bäuche und Kehlen auf. Ergötzte sich am Hervorquellen schleimiger Eingeweide. Ja, bluten soll das miese Schwein. Bluten, büßen und bereuen. Und leiden, langsam und qualvoll.
    Im echten Leben war ihr Feldzug dann doch nicht ganz so spektakulär. Zunächst versuchte sie es mit den Mitteln des Rechtsstaats, den sie bedingungslos auf ihrer Seite glaubte. »Ich habe mir das jetzt lange genug angeguckt«, sagte sie zu einer Familienanwältin mit ansprechender Großanzeige im Branchenverzeichnis. »Er macht sich ein schönes Leben und ich kann sehen, wie ich die Kinder durchbringe. Ein nagelneues Handy hat er sich gerade wieder geholt. Und hier, gucken Sie sich mal meinen alten Knochen an. Ich will, dass sein Gehalt gepfändet, sein Auto versteigert und seine Wertsachen eingezogen werden. Und wenn er Widerstand leistet, gleich Beugehaft. Außerdem, wo steht geschrieben, dass ich erlauben muss, dass meine Kinder mit einer fremden Frau und deren doofem

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