Wir sind nicht schwul (German Edition)
Minuten Zeit gegeben hat, um ihn aus seinem Haus zu zerren.
Nah, wenn er es nicht anders will, dann klingle ich eben.
Es klingelt.
Es klingelt wieder.
Ich lasse es noch etwas länger läuten.
Keine Reaktion.
Ein Blick durch das anliegende Fenster verrät mir, dass er schon wach gewesen sein muss, denn es brennt Licht.
Nachdem ich eine Weile damit zugebracht habe, Sturm zu klingeln, drücke ich einfach die Türklinke nach unten.
Es ist offen.
Hat er etwa keine Angst, dass irgendein wahnsinniger Fan seine Bude einrennen könnte, wenn er nicht einmal abgesperrt hat? Sein gesichertes Tor wird wohl kaum immer ausreichen, um Wahnsinnige abzuhalten.
Vielleicht aber hat er die Tür jetzt auch nur deshalb offen gelassen, weil er weiß, dass er bald abgeholt wird.
Allerdings bin ich mir, des Anblicks wegen, der sich mir bietet, gar nicht mehr so sicher, ob er wirklich mit Besuch gerechnet hat, ob er unsere Verabredung schon wieder vergessen hat.
Unweigerlich ziehen sich meine Augenbrauen zusammen und ich betrete vorsichtig den Flur.
Sein Haus und meinen ersten Besuch bei ihm habe ich mir irgendwie anders, im positiven Sinne stürmischer, vorgestellt.
Anstandsgemäß ziehe ich meine Schuhe aus und schlupfe in die bereitgestellten Hausschlapfen.
„Mikage?!“, rufe ich durch den Flur.
Es sieht chaotisch aus und trotzdem nicht so, als hätte jemand eingebrochen.
Vielleicht liebt er Klopapier als Dekorationsmittel? Es hängt überall. An den Türen, den Möbeln, es bedeckt den Boden. Es wurde sogar extra mit Kleber, vermute ich zumindest, an den Wänden befestigt. An manchen Stellen sogar mit Stecknadeln.
Vielleicht hat er auch vor, sein nächstes Musikvideo in seinem Haus zu drehen und will nicht immer alles abbauen, um es dann sowieso wieder aufzuhängen.
Ja, das muss es sein. Anders kann ich mir das nicht erklären.
Suspektes Kerlchen und irgendwie macht er mir damit Angst.
„Mikage?“, rufe ich ein weiteres Mal durch sein Haus.
Wieder keine Antwort.
Je näher ich dem Wohnbereich komme, desto deutlicher kann ich das Plätschern von Wasser hören. Ob er noch unter der Dusche steht und deshalb nichts hört?
Klingt logisch, oder?
Zumindest, bis ich um die Ecke biege und das Wohnzimmer erblicke.
Mit einem Schlag sind all die schönen Glücksgefühle, die ich letzte Nacht angesammelt habe, verschwunden und ich weiß bei Gott nicht mehr, was ich denken soll.
„Am besten gar nichts!“, flüstere ich auf Deutsch, in der Hoffnung, dass es mich beruhigt.
Was sich vor meinen Augen abspielt ist ein skurriles Szenario, dass man sich nur so ausdenken kann, wenn man es für irgendetwas Spezielles braucht, oder, wenn man in gewisser Art und Weise geisteskrank ist.
Bei letzterem muss ich mich zusammenreißen, um nicht unweigerlich los zu heulen.
„ Mikage ?!“, brülle ich dieses Mal laut und versuche den Blick auf einer Stelle zu halten, an der keine Federn liegen, wo kein Klopapier angebracht ist, wo keine Stofffetzen verstreut liegen. Keine Blumenstiele, die sicher einmal wunderschöne Blüten trugen, keine Holzsplitter, keine zerstörten CDs, die schier überall liegen und den Raum in ein buntes Licht hüllen.
Doch richtig blenden tut mich der Couchtisch, der, zugeschüttet von weißen Daunen, in der Mitte des Raumes steht. Was der rote Fleck darauf darstellen soll, weiß ich erst, als ich näher komme, um es mir mit wild pochendem Herzen genauer anzusehen.
Es sind Hibiskusblüten, wo die Stiele dazu sind, haben wir ja bereits festgestellt, die zusammen ein Herz formen, das wiederum von Kerzen umrahmt wurde. Hat er nicht Angst, dass die Flammen weit genug herunter kommen und die Federn in Brand setzen könnten?
In der Mitte des Herzes liegt ein rosaroter Brief.
Und darauf steht, in schwarzen Lettern, fett und gut leserlich geschrieben: „Finn“
Eine Überraschung? Findet er dieses Szenario etwa romantisch? Er konnte trotzdem unmöglich wissen, dass ich ihn abhole und nicht einer der anderen.
Oder hat mich Akio absichtlich her geschickt, weil er davon wusste? Doch selbst wenn, wusste Akio dann auch, was genau mich hier erwartet hat?
Blödsinn!
Akio hätte mir so etwas niemals zugemutet. Ukage vielleicht, aber nicht Akio.
Meine Hand zittert so stark, dass ich den Brief kaum festhalten kann und ich racker mich geradezu ab, ihn aufzubekommen, um ihn lesen zu können. Ich halte ihn ganz, ganz fest, damit meine Hand nicht so derartig zittert, sonst kann ich kaum lesen, was er in schön lesbaren Kana
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